Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
ist der Dicke besser als die meisten Kameraden, aber hier hat auch er seinen Meister – Subproximer Marigg Ellis.
Was Bruno in den Wanten ist, das nimmt Schnuckchen für sich am Multispill in Anspruch. Und obwohl beide voneinander nur in den freundlichsten Worten reden, glaubt Styx, schon Anzeichen einer heimlichen Rivalität bemerkt zu haben.
Das Multispill ist nämlich die Position des Steuermanns. Da kann man in den Wanten noch so geschickt sein – der Mann am Spill entscheidet, wohin die Reise geht. Und nicht selten übernimmt Flakke selbst die Arbeit an diesem Steuerpult über Hunderte von Winden und Hydraulikanlagen, mit denen die Masten ausgefahren oder eingezogen, die Wanten und Pardunen aufgespult, Geitaue eingeholt und Brassen gezogen werden.
Natürlich ist der Steuermann auf die Wantentrailer angewiesen; nur das perfekte Zusammenspiel zwischen Trailerpiloten und Multispillwache garantiert den reibungslosen Ablauf der Segel- und Takelmanöver.
“Was sagt das Wetter, Superprox?” Flakke verfällt in den Arbeitsjargon und benutzt die Rangkürzel.
Styx entdeckt eine großflächige Aufwärtsströmung von hoher Materiekonzentration und weiß sofort, daß Flakke ihn deshalb in die Zentrale befohlen hat. Wenn sie diesen Ausbruch geschickt, aussegeln, schaffen sie es mit den Turbosegeln und brauchen nur ein wenig Auftriebunterstützung durch die Sturmbesegelung. “Wie Sie es bereits erkannt haben, Konder, steife Brise”, antwortet er forsch.
Flakke grunzt zufrieden, und Styx ist sich sicher, daß es nicht nur Genugtuung ob der günstigen Witterung ist – seine Art, Komplimente auszuteilen, hat sich in langen Flugjahren bewährt. Er blickt zur mehrfarbigen Anzeige des Segelstands, die neben dem großen Bildschirm leuchtet, und sieht, daß noch ziemlich viel Zeug oben ist. Die Zentralmasten sind längst eingezogen, das Omegasegel ist gerefft. Aber steuerbord und backbord ist noch alles Schönwettertuch am Mast.
“Vorschlag, Superprox?” Der Kosmander will nur hören, was er längst weiß.
Styx ist sich nicht zu schade zu beweisen, daß er Flakkes gelehrigster Schüler ist, und er zeigt es seinem Kosmander gern, denn besser als Flakke konnte nie jemand segeln – ist es da nicht ein Lob, des Kosmanders Pläne genau zu kennen? “Runter mit allem Zeug, außer Klüver, Flieger und allen Stagsegeln, Turbosegel anbrassen und die Kreisel verholen…, das gibt Tempo, Konder!”
Flakkes Antwort ist ein neuerliches wohlwollendes Grunzen; und Styx glaubt außerdem ein Gemurmel zu hören, das so klingt wie: “Gut, mein Junge…, schade, daß es bald aus ist…, wärst ein echter Segler geworden…”
Dann dröhnt des Kosmanders Stimme über die Brücke. “Trailer ab! Runter mit allen Fock-, Mars-, Bram-, Royal-, Sky-, Groß- und Besanlappen! In die Wanten, ihr Affen!”
Ein mehrstimmiges Gejohle beantwortet den Befehl, dann schießen die Wantentrailer aus den Startschächten. Auf der grafischen Darstellung des Segelrisses erscheinen sie als grüne Punkte.
Auf einmal spürt Styx einen feinen Stich in der Brust. Oder war es im Kopf, im Bauch, im ganzen Körper? Ja, dieser Stich muß alle Nerven auf einmal getroffen haben, denn er lähmt Superproximer Irmold Styx für Sekunden, und in dieser Zeit schreit die seltsame Stimme in ihm, die er an Brunos Krankenbett das erstemal hörte: Und das soll alles vorbei sein, morgen, übermorgen oder überübermorgen? Die Stimme erfüllt ihn mit einer Macht, daß es aus ihm herausbricht wie bei einer Explosion. Styx stimmt ein in das “Ayayay!” der Trailerpiloten und brüllt mit einer Begeisterung, wie er sie nie erlebt hat. Das ist es doch, was sein Leben ausmacht! Raus aus dem Katapultschacht, hinein in die Wanten, über und unter, neben sich die Kameraden wissend, dem plumpen Rumpf des Drachenkreuzers die Peitsche geben, der Sonne mit ihren Stürmen und Eruptionen den durchgesteckten Daumen zeigen, sie frech auslachen!
Erst Schnuckchens meckerndes Lachen bringt ihn zur Besinnung. “Unser Styxchen ist wieder mal ganz bei der Sache!”
Schnuckchens Spott regt ihn aber seltsamerweise nicht auf, auch Skamanders Kichern stört ihn nicht. Gestern noch hätte die Hitze der aufsteigenden Scham in ihm die Neuronen durchbrennen lassen; jetzt grinst er nur, etwas unsicher zwar, aber dafür auf eine Art und Weise, daß Flakke, der erst erheitert lächelte, ihm plötzlich sehr ernst und beinahe traurig, wie es ihm scheinen will, zunickt. Und da kann er sich nicht bezähmen,
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