Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
brüllt es noch einmal heraus, diesen Schlachtruf, der ihm auf einmal Kraft gibt, Hoffnung und Trotz.
“Ayayayay…”, antworten die Trailerpiloten, und fast will Styx es nicht glauben, aber er sieht nicht nur, daß der Kosmander den Mund bewegt, er hört tatsächlich dessen Stimme.
Diesmal hält Schnuckchen die Klappe. Seine Bartspitzen zucken zwar verdächtig, doch Styx weiß nicht so recht, ob die zusammengekniffenen Lippen des Elloraners darauf schließen lassen, daß der sich ein erneutes Lachen verkneift. Und als er entdeckt, daß Skamander den Kosmander anstarrt wie ein Dackel – mit großen, traurig glänzenden Augen –, da ist auf einmal die ganze Stimmung dahin, aber ein ganz schwacher Nachhall wie von einem fernen Echo bleibt in ihm. Das Takelmanöver klappt so gut wie selten zuvor, und das bedeutet, es wird mit einer Geschwindigkeit absolviert, die den theoretisch berechneten Vorgabewert deutlich überbietet. Der Kosmander nickt zufrieden.
Als die Trailer wieder an Bord sind, gibt Flakke seinen nächsten Befehl. “Turbosegel.” Nur dieses eine Wort. Doch Skamander und Schnuckchen reagieren sofort.
Styx spürt ein leises Kribbeln in der Nackenmuskulatur. Jetzt schieben sich die aerodynamisch geformten Röhren des Turboantriebs aus dem plattgedrückten Rumpf des Drachenkreuzers. Warum diese Dinger als Segel bezeichnet werden, weiß er selbst nicht. Diese Art der Fortbewegung durch Windkraft ist uralt, hat sich auf den Meeren der irdischen Heimat aber seltsamerweise nicht durchgesetzt. Die wenigen Versuchsschiffe hätte man eher für altertümliche Dampfer halten können, denn die Turbosegel sahen riesigen Schornsteinen ähnlich. Vielleicht heißen sie Turbosegel, weil sie die Strömung von Gasen als Antrieb benutzen, aber irgendwie ist die Bezeichnung irreführend. Turbinen sind es aber auch nicht, obwohl das Prinzip der Turbine dazugehört. Na ja – Styx schüttelt. den Kopf –, es ist eben ein Hybridantrieb, und da es davon Dutzende gibt, mußte man dem Kind eben einen Namen geben. Ist auch egal, wichtig ist, daß ein Turbosegel unter bestimmten Bedingungen mehr als fünfmal wirksamer als ein herkömmliches Segel ist. Für Hochgeschwindigkeitsflüge im Sonnenwind ein ideales Antriebsmittel. Natürlich kann man mit jedem konventionellen Teilchentriebwerk weitaus schneller fliegen – aber die Ikaros braucht keinen Reaktor, nicht einmal Energiespeicher. Sie bekommt alles von der Sonne.
“Kielkreisel null. Drallräder auf Steigflug.” Flakkes Stimme klingt auf einmal betont sachlich.
Ob es ihm peinlich ist, das von vorhin? denkt Styx einen Augenblick. Dann konzentriert er sich voll auf die Anzeigen des Aktinometerpults. Skamander und Schnuckchen hantieren routiniert am Multispill. Mit Hilfe des Kreiselsystems richten sie jetzt den Bug der Ikaros um wenige Grad über die Solartangente, Styx hat das wohl schon tausendmal erlebt. Aber jetzt muß er aufpassen. “Acht Grad, zwei Minuten”, ruft er Flakke zu, aber eigentlich ist es für die Steuerleute bestimmt.“Acht Grad, zwei Minuten”, wiederholt Flakke. Natürlich haben Skamander und Schnuckchen das Manöver schon eingeleitet, aber die Tradition verlangt die Verifizierung des Befehls durch den Kosmander, das ist nun mal so. “Liegt an”, meldet Schnuckchen.
Die Ikaros sackt etwas durch. Styx duckt sich unwillkürlich in Erwartung einer bissigen Bemerkung des Kosmanders. “Scheiße”, schimpft er leise und rastert die winzige Turbulenz auf, die er zu spät erkannt hat. Dazu schaltet er sich das Bild des Hyperheliospektrographen auf den Schirm, und ein Blick in die räumliche Tiefe des Wirbels erspart ihm das Ablesen der Meßwerte.
“Keine Ursache”, sagt Flakke trocken, “solch einen Furz lassen wir an der Nase vorbeiziehen und halten einfach die Luft an.”
Vor drei oder vier Wochen hätte er mir empfohlen, einen Kursus in Sonnenphysik zu belegen, denkt Styx aufatmend. Dann aber beruhigt er sich und begreift, daß es wirklich nur eine Lappalie war. Solche Zirkulationsanomalien entstehen in Sekundenbruchteilen und verschwinden ebensoschnell.
Da packt der Aufwind den Drachenkreuzer. Nein – Styx korrigiert diese Empfindung sofort: Die Ikaros packt den Aufwind.
Die dichte Materie der Eruption heult durch die Turbosegel, auf dem Segelriß neben dem großen Bildschirm flammen rote Warnlichter auf. “Klüver, Flieger und Stagsegel runter”, befiehlt Flakke.
Für dieses Manöver werden die Wantentrailer nicht benötigt, es läßt
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