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Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Titel: Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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liegend sehen / ich stehe / verdreckt zwar und zerschunden / aber ich stehe wieder / nicht dir zum Trotz / mir zum Vergnügen!” Das “Omega” wieherte er wie ein brünstiger Hengst. Dann nuschelte Schnuckchen etwas von Phalluspoesie und krähte begeistert, der Geisterpoet sollte sich ganz und gar ihm anvertrauen, er würde dem Ding schon zu einer permanenten Aufrichtigkeit verhelfen. Und Styx hatte Mühe, mit seinem Zähneknirschen nicht das Gegröle der anderen zu übertönen.
    Bei dieser scheußlichen Erinnerung zuckt Styx plötzlich zusammen. Schnuckchen! Er liest noch einmal. Da geht es um Alkohol! Jeder an Bord weiß, daß Schnuckchen sein Nutzlastkontingent ausschließlich mit kistenweise gehortetem elloranischem Ananis deckt! “Schau an”, flüstert er beeindruckt. Das Gefühl, das ihn nun überkommt, vermag er nicht zu bestimmen. Schnuckchen gegenüber empfindet er immer etwas, was auf komplizierte Weise aus Mitleid, Solidarität, Neid und Ekel gemischt ist. Der Elloraner zieht ihn an und stößt ihn gleichzeitig ab. Manchmal fühlt er einen fast an Wollust grenzenden Schauer, wenn Schnuckchen ihm mit der gewohnten Aufdringlichkeit den Rücken streichelt, oft genug stieß er ihn grob von sich und spürte ein Würgen im Hals, wenn die auf ewiger Suche befindlichen Hände des Elloraners seine Schenkel oder seinen Nacken fanden. Nie hat Schnuckchen darauf anders als mit einem girrenden Lachen reagiert, in dem immer eine Winzigkeit Spott zu schwingen schien.
    Styx zieht sich die gelb und schwarz gestreifte Baseballmütze in die Stirn und wendet sich demonstrativ von der Inschrift ab. Und schon nach wenigen Schritten sieht er wieder seinen Schwammtaucher vor sich, dieses Jupiterschiff, das er so getauft hat, weil es aus Tausenden von Zellen besteht, die wie ein Schwamm das eigentliche Raumschiff umgeben. Diese Hülle aus einer Unzahl von Blasen soll es ermöglichen, ein Druckgefälle zu erzeugen. Seinen Berechnungen zufolge müßten etwa zwanzig Schalen mit stufenweise verringertem Innendruck genügen. Er hat auch dafür schon einen Namen – das sind die Kompensationsdecks. Die Anzahl der Druckzellen jedes Decks werden die Statiker bestimmen – doch das Prinzip hat Irmold Styx entdeckt. Diese Schiffe werden einst wie riesige Ballons in die tiefen Schichten der Jupiteratmosphäre vordringen. Sie werden zwar riesengroß sein, aber ihr spezifisches Gewicht ist durch die Zellenbauweise so gering, daß sie manövrierfähig sind und der Schwerkraft des Planetengiganten ebenso trotzen können wie dem mörderischen Druck seiner Gashülle, denn zweifellos werden es Segler sein.
    Soll mit der Ikaros geschehen, was geschehen muß. Ihn braucht das nicht zu bekümmern, er hat sein neues Leben eigentlich schon begonnen. Natürlich wird man den kleinen Superproximer Irmold Styx nicht zum Chefkonstrukteur machen, das weiß er, und er will es auch gar nicht. Aber er hat noch so viele andere Ideen, und die Expertenkommission hat ihn ermuntert; Wohlmetz selbst hat geäußert, für solche Bürger wie ihn fänden sich immer lohnende Aufgaben, Kreativität sei schließlich das hervorragende Merkmal der Evolvierenden Persönlichkeit.
    Vor dem Schott zur Brücke verharrt Styx. Wieder ist Brunos Vollmondgesicht zwischen die Visionen von einer Zukunft als Kreator geraten. Als er noch am Bett des bewußtlosen Kameraden saß und ängstlich auf das Ticken und Summen der unzähligen Apparaturen lauschte, die dem Trailerkönig mit der unvorstellbaren Macht v on Menschen erson nener Technik Atemzug für Atemzug das Leben wiedergaben, hatte er sich geschworen, den Antrag auf kadertechnische Umsetzung zurückzuziehen. Auf einmal war es ihm wie Verrat an all den Gefährten erschienen, mit denen er seit Jahren im Sonnenwind segelte. In diesen Stunden hatte er erkannt, daß es trotz aller Differenzen und Unversöhnlichkeiten etwas gab, was über dem Bedürfnis nach Erfolg und Beifall stand, etwas, was sich kaum in Worte fassen ließ und ganz sicher das Gegenteil von Einsamkeit war. Plötzlich hatte er sich davor gefürchtet, sein Leben in einer völlig neuen, fremden Umgebung fortzusetzen, und dunkel stieg in ihm die Ahnung auf, daß es nicht Sinn und Zweck des Lebens sein konnte, daß sich das Individuum über die anderen zu erheben trachtete, daß es vielmehr so sein sollte, daß alle sich gemeinsam über sich selbst erhoben.
    Er hat dem Dicken sein Leben zu verdanken. Ist er damit in die Pflicht genommen? Manchmal glaubt Styx, er könne

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