Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
das nur wollte. Ein röchelnder Schrei stößt aus Skagits Kehle, ein unheimlicher Laut, gemischt aus Triumph und Schmerz, und wie ein Raubtier springt er Skamander an.
Erst als seine Schläge ins Leere treffen, kommt er zur Besinnung. Eine Weile starrt er verwirrt auf seine blutigen Fäuste, dann sieht er Skamander.
Der liegt zusammengekrümmt in der schmalen Gasse zwischen zwei Kreiseln. Die pfeifende Luft bläht seine Kombination auf und peitscht in seine flatternden Haare. Skagit keucht erschöpft und lacht rauh auf. Da liegt er nun, der Riese, der Mörder, der unbezwingbare Skamander. Aber gerade als der Stolz die Wut zu verdrängen beginnt, zuckt ein Bild in seiner Erinnerung auf, schneidend grell. Freerick! So hat auch Freerick vor ihm gelegen, und Skagit war ebenso stolz auf sich, hatte Rache genommen und sah nicht, daß Freerick tot war…
Aber Skamander lebt, er wälzt sich herum und versucht, auf die Knie zu kommen. Er scheint noch benommen zu sein, kippt zur Seite – die Kreisel! Skagit brüllt entsetzt auf. Nein, nicht noch einmal. “Bleib liegen, Freerick!” schreit er und springt zwischen die beiden wirbelnden Schwungmassen.
Freerick, denkt ein Teil von ihm, der plötzlich zu kühler Überlegung fähig ist, warum nenne ich ihn Freerick? Skamander war nie mein Freund, hat diesen Namen nicht verdient. Der andere Teil besteht nur noch aus wahnsinniger Angst. Was habe ich getan, er könnte tot sein, zerfetzt, zermalmt! Ich bin kein Mensch, ich bin krank, verrückt! Skagit wirft sich auf Skamander und kreischt: “Rühr dich nicht, Skamander – die Kreisel, denk an die Kreisel!”
Skamander liegt auf dem Rücken und starrt ihn verständnislos an. Mund und Kinn sind blutverschmiert, die Lippen dick geschwollen. “Nicht bewegen, Skamander, ganz ruhig!” Allmählich bekommt Skagit seine Stimme unter Kontrolle. Das Heulen der rotierenden Walzen reißt ihm die Worte von den Lippen, aber Skamander scheint zu verstehen. Seine Augen weiten sich einen Augenblick, und ihr unmerkliches Glitzern zeugt davon, daß er die Gefahr begriffen hat.
Skagit erhebt sich vorsichtig, und plötzlich wird ihm klar, warum Skamander zur Seite kippte: Es war nicht nur Schwäche. Der Luftstrom stößt und rüttelt Skagit, daß er sich sofort wieder zusammenkauert.
“Bleib liegen, ich ziehe dich raus!” schreit er, um das bösartige Heulen zu übertönen. Als Skamander ihn angrinst und leicht nickt, wird Skagit übel, denn in dem Augenblick, als Skamander den Mund etwas öffnet, läuft dunkles Blut aus seinem rechten Mundwinkel. Beim Großen Sirius, warum hat er sich nicht gewehrt, warum hat er sich von mir so zurichten lassen? geht es Skagit durch den Kopf.
Skagit krallt sich in Skamanders Kragen fest und kriecht rückwärts aus der Gasse. Skamander stößt sich vorsichtig mit den Füßen ab.
Einmal zischt es kurz auf, wie wenn Wasser auf eine heiße Herdplatte spritzt, und es riecht stechend nach versengtem Plast. Skagit beachtet es nicht weiter. Der Wind peitscht ihm ins Gesicht, er muß die Augen zu schmalen Schlitzen verengen.
Zentimeter für Zentimeter kriecht er zurück, zerrt Skamander ein Stück heran, kriecht weiter. Dann endlich sitzen sie ächzend und schnaufend nebeneinander, an die Kammerwand gelehnt. Minutenlang schweigen sie und sehen sich nicht an. Schließlich tippt Skamander ihm vorsichtig auf die Schulter und sagt: “Du mußt das behandeln lassen, wer weiß, was sich daraus noch entwickelt. Das kann sonst üble Folgen haben.” Skagit lacht bitter auf. Ja, Skamander hat recht: Er ist ein Fall für die Mediziner. Freerick wäre noch am Leben, wenn das vorher jemand erkannt hätte.
“Tut es nicht weh?” fragt Skamander, und Skagit merkt, daß dem anderen das Sprechen Mühe bereitet.
Auf einmal fühlt sich Skagit so leer wie nie zuvor. Und diese Leere schmerzt, daß er es kaum ertragen kann. “Und wie…”, flüstert er leise. “Seltsam, daß es nicht blutet.”
Skagit wendet den Kopf und folgt Skamanders Blick. Auf seinem Oberarm entdeckt er einen handtellergroßen hellen Fleck. Wie mit einer Rasierklinge ist ein ovales Stück aus dem Overallärmel geschnitten, aus der darunterliegenden Haut und wohl auch aus dem Muskelfleisch. Die Wunde glänzt wie Kerzenwachs und riecht nach verbrannten Haaren, an ihren Rändern haben sich weißliche Blasen gebildet, einige so groß wie ein Fingernagel.
Skagit lacht noch einmal auf. “Ach, das meinst du. Das habe ich noch gar nicht gemerkt…”
“Komm,
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