Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
fassen. Sollen sie sich ruhig über ihn lustig machen, das interessiert ihn nicht mehr. Arthur – sie wissen ja nicht, was ihm das Tier bedeutet. Da, das Schott zur Kreiselkammer. Er reißt an dem Handrad, öffnet die Sperren, merkt kaum, daß er sich Zeigefinger und Daumen der rechten Hand quetscht. Träge schwingt das elliptische Schott auf, mit einem fauchenden Luftstrom dringt das nervtötende Heulen der tonnenschwerenKreisel aus der Kammer. Über dem Eingang blinkt das Warnsignal: Achtung, Lebensgefahr! Achtung, Lebensgefahr… Ein warmer, ölig riechender Wind schlägt Skagit ins Gesicht, brennt in den Augen. Die Kreisel sind in dem Flimmern und Funkeln kaum zu sehen, das von ihrer polierten Oberfläche in Kaskaden durch die tropfenförmige Kabine stiebt. Wie gewaltige Mühlräder drehen sie sich, vier jeweils gegenläufig rotierende Walzen, so rasend schnell, daß die Luft wie aus einer Turbine zwischen ihnen hervorjault.
Aber Skagit hat keine Augen für die tödlichen Gefahren, die hier lauern. Ihm wird nicht einmal bewußt, daß er seinen kleinen Freund hier sicherlich nicht finden wird, denn wie sollte der Zwergburrbo wohl die gepanzerte Tür öffnen?
Er hat gewußt, daß es eines Tages geschehen wird, daß irgendwann jemand aus dem Spiel Ernst macht. Warum mußte ihm das damals auch widerfahren! Alles hat er gehabt, Freunde, eine Lustpartnerin, Spaß an der Arbeit – warum hat er sich für diesen verdammten Drachenkreuzer entschieden, hatte er doch die Wahl, hätte ins System Epsilon gehen können, dort sind Terraner gern gesehen, und die Epser sind nette Leute…
Skagit lehnt sich gegen die Wand der Kreiselkammer und wimmert leise auf. Er hat einfach Angst vor der Fremde gehabt, wollte wenigstens in der Nähe seiner Freunde auf Terra bleiben, in der Nähe von Freunden, für die er nicht mehr existiert, denn damals hieß er nicht Skagit und besaß eine andere Identität, die nun in allen Speichern gelöscht ist.
Warum, beim Großen Sirius, ist er nur auf die Ikaros gegangen? Nie ist er das Gefühl losgeworden, ein Außenseiter zu sein, ein Fremdling. Nie hat er sich an den rauhen Ton der Sonnensegler gewöhnen können, an ihre Grobheit, ihre Einfachheit.
Und nun, da die zehn Jahre beinahe vorüber sind, sich ihm Terras Tore wieder öffnen sollen – nun ist Arthur verschwunden.
Nur unbewußt nimmt Skagit wahr, daß jemand durch das Schott tritt. Zu sehr fesselt die wilde Rotation der wuchtigen Kreisel seinen Blick, und verrückte Gedanken überschlagen sich in seinem Kopf.
Man würde es bestimmt nicht merken, denkt Skagit, und hinter seiner Stirn ballt sich etwas Glühendes zu schweren Klumpen. Es geht sicher ganz schnell, und nichts bleibt übrig. Alles wäre auf einen Schlag vorüber…, irgendwann ist es doch sowieso soweit…, warum denn nicht jetzt…
Der andere spricht ihn an, Skagit aber versteht kaum den Sinn der Worte, er zischt nur böse, weil ihn die Störung ärgert. Und als er Skamanders Stimme erkennt, staut sich erneut das Blut in seinen Schläfen und pocht schmerzhaft gegen die Schädelknochen. Skamander! Was will der von mir?
Seine Gedanken geraten in einen Strudel: Skamander…, er hat gesagt, er werde Arthur noch einmal den Hals umdrehen… Zwar hat er Skamander immer mit allen möglichen Dummheiten gereizt, aber nur, weil es an Bord so üblich war…, die anderen haben doch darüber gelacht… Skamander wollte Arthur töten…, er hat es selbst angedroht… Skamander war es…, Skamander…
Auf einmal erstarrt Skagit. Nein, das ist kein Traum! Er hört es ganz deutlich.
“… ich habe es nicht gewollt, glaube mir doch, Skagit…, ich habe es nicht gewollt…” Nur Sekunden hat er das Gefühl, eine kalte und steife Holzpuppe zu sein. Seine Glieder wollen ihm nicht mehr gehorchen, als er sich umdreht, um seinem Feind ins Gesicht zu sehen. Die Luftröhre schwillt ihm zu und wird zu einem knotigen Knüppel in seinem Hals. Skagit keucht und ringt nach Atem. Seine Finger knacken und knirschen, als er die Fäuste ballt. Er sieht nur noch die auf und nieder zuckenden Lippen Skamanders, alles andere verschwimmt zu einer konturlosen Masse.
Erst als ein stechender Schmerz durch sein Handgelenk fährt, begreift er, was er getan hat. Aus Skamanders aufgesprungener Unterlippe quillt Blut. Skamander taumelt zurück und hebt abwehrend die Hände.
Skagit denkt nicht den Bruchteil einer Sekunde daran, daß der bärenstarke Skamander ihn mit dem Zeigefinger aufspießen könnte, wenn er
Weitere Kostenlose Bücher