Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
Hälfte der Strecke liegt noch vor ihnen. Verdammt, Freerick hat recht, im Riesenloop wird's kritisch, wenn ich mir keine Reserve lasse, denkt Torkell und blickt durch die Glaswandung zum hohen Bogen des letzten Bahnabschnitts hinüber. Wenn er den Überschlag nicht schafft, kann er zur Not auf die Innenseite hinunterrollen und danach auf die Schräge des aus Sicherheitsgründen leicht geneigten Kreisels fahren. Dann aber hätte er keine Siegeschance mehr, obwohl die Bahnlinien dort so gezogen sind, daß er die Mittellinie auf der durchbrochenen Markierung kurzzeitig überqueren dürfte – vorausgesetzt, er gefährdet damit nicht seinen Gegner.
“Hör zu!” stößt Freerick hervor. “Ich lasse ein paar Tritte aus, klar? Aber hör mit dem Wahnsinn auf!”
Torkell ist es, als hätte ihm jemand die Faust ins Gesicht geschlagen. Freerick will ihn gewinnen lassen! Was bildet sich dieser überhebliche Affe ein!
“Fahre, Champion!” brüllt er haßerfüllt zurück. “Fahre und quatsch nicht dämlich!” Er rast so ungestüm in die Abwärtsschnecke hinein, daß Freericks Keuchen in seinem Rücken immer schwächer wird.
Da spürt er den ersten Stich in den Waden, und sein Tritt wird unrhythmisch.
Durchhalten! hämmert es in Torkell. Durchhalten!
Doch als er aus der Schnecke hinausschießt und plötzlich die unendlich scheinende, allmählich ansteigende Gerade des Riesenloopanlaufs vor sich hat, verläßt ihn plötzlich aller Mut.
Das schaffe ich nicht! durchfährt es ihn, und er spürt auf einmal den kalten Schweiß, der an seinen Nasenflügeln herabrinnt.
Aber von Freerick ist noch nichts zu hören. Verzweifelt quält sich Torkell den Anstieg hinauf, und er riskiert jetzt sogar einen Blick zurück. Freerick ist noch in der Schnecke, deutlich kann er seinen Schatten durch die gläserne Wandung erkennen.
Eine letzte, verzweifelte Hoffnung keimt in ihm. Freerick hängt durch. Ich schaffe es!
Seine Hand zuckt zur Schaltung, als die Beine schwer werden wie Blei. Nein! Nicht runterschalten! befiehlt er sich. Unter unmenschlichen Qualen gelingt es ihm, das Tempo zu halten.
Der Gipfel des Anstiegs ist greifbar nahe. Gleich! Noch zehn Tritte, noch sechs, vier – jetzt nicht nachlassen!
Als der erste Tritt scheinbar ins Leere geht, schreit Torkell erlöst, auf. Es geht abwärts, abwärts! Er hat es geschafft, er wird vor Freerick in den Riesenloop einfahren, er hat gewonnen!
Dann begeht er den entscheidenden Fehler. Statt unermüdlich weiterzutreten, gönnt er sich einige Sekunden Ruhe und läßt den Renner die Anlaufabfahrt hinabrollen. Der Fahrtwind kühlt und erfrischt. Noch einmal wendet sich Torkell um.
Für einen Augenblick ist er wie gelähmt. Sein Blick trifft auf Freericks Augen, die zusammengekniffen sind und ihn unverwandt anstarren. Nur etwa zehn Meter trennen ihn von dem Rivalen.
Mit einem Wutschrei beugt sich Torkell über den Lenker. Aber plötzlich sind seine Beine wie Watte, er findet seinen Rhythmus nicht wieder, zieht am Schalthebel, bis er den Widerstand der Pedale spürt. Erst der höchste Gang gibt ihm das Gefühl zurück, die Beine noch bewegen zu können, aber da naht schon das Ende der Abfahrt, und steil ragt der Riesenloop vor ihm auf.
“Runterschalten, Torkell!” hört er Freerick rufen, aber aus irgendeinem Grunde zögert er. Die Geschwindigkeit stimmt doch, sagt er sich verwirrt, was soll das, will er mich nervös machen?
Dann geht es beinahe senkrecht hinauf, immer steiler, immer höher, und da ist es Torkell plötzlich, als würden sich die Pedale in ihren Lagern festfressen. Hastig reißt er an der Schaltung – einen Augenblick verringert sich der Widerstand, aber nur kurzzeitig. Weiter runter! Die Schaltung knackt, überspringt eine Stufe, Torkell schleudert. Der Andruck preßt ihn mit Macht in den Sattel, er kann sich mit einer Hand nicht mehr halten! Aber er muß schalten, verdammt noch mal, schalten! Er kann bereits die Scheitelmarkierung sehen, wird aber immer langsamer! Als er merkt, wie der Druck der Fliehkraft schwächer wird, begreift er auf einen Schlag, daß er wieder verloren hat.
Aber noch zögert er, geht das Risiko ein abzustürzen! Da! Die Reifen beginnen zu rutschen! Auf die Sohle runter!
Als er den durchbrochenen Abschnitt der Trennlinie überquert, quietschen hinter ihm Bremsen. Entsetzt wendet er sich um und sieht gerade noch, wie Freerick ihm ausweichen will, seinen Lenker herumreißt und die Röhrenwandung emporrast.
In diesem Moment wirken
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