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Drachenläufer

Drachenläufer

Titel: Drachenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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Koffer fallen.
    Karim versicherte uns, dass es nur noch eine Frage von wenigen Tagen sein konnte, bis der Lastwagen repariert war. Dann wären wir auf dem Weg nach Peshawar. Auf dem Weg in die Freiheit. In die Sicherheit.
    Der Keller war für die nächste Woche unser Zuhause, und in der dritten Nacht entdeckte ich die Quelle der kratzenden Geräusche: Ratten.
    Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, zählte ich ungefähr dreißig Flüchtlinge in dem Keller. Wir saßen Schulter an Schulter entlang der Wände, aßen
    Cracker, Brot mit Datteln, Äpfel. In jener ersten Nacht beteten die Männer zusammen. Einer der Flüchtlinge fragte Baba, warum er sich ihnen nicht anschließen wolle. »Gott wird uns retten. Warum beten Sie nicht zu ihm?«
    Baba nahm eine Prise von seinem Schnupftabak. Streckte die Beine aus. »Was uns retten wird, sind acht Zylinder und ein guter Vergaser.« Das ließ den Rest der Männer hinsichtlich der Frage nach Gott ein für alle Mal verstummen.
    Erst später an jenem ersten Abend entdeckte ich, dass zwei der Leute, die sich mit uns versteckten, Kamal und sein Vater waren. Es war schon schlimm genug, Assefs Freund Kamal nur wenige Meter entfernt von mir im Keller sitzen zu sehen. Aber als er und sein Vater zu unserer Seite des Raumes herüberkamen und ich Kamais Gesicht sah, es wirklich sah ...
    Er war dahingewelkt - es gab einfach keinen besseren Ausdruck dafür. Er schaute mich mit leerem Blick an, kein Zeichen des Erkennens ließ sich in seinen Augen ausmachen. Seine Schultern waren hochgezogen, und das Fleisch seiner Wangen hing herab, als wäre es zu erschöpft, sich an den Knochen darunter festzuhalten. Sein Vater, der ein Kino in Kabul besessen hatte, erzählte Baba, wie seine Frau vor drei Monaten von einer verirrten Kugel in die Schläfe getroffen und getötet worden war. Und dann erzählte er Baba von Kamal. Ich bekam nur einige Gesprächsfetzen mit: Hätte ihn nie allein gehen lassen sollen ... immer so ein hübscher Junge... vier von denen... versucht, sich zu wehren... Gott... über ihn hergefallen ... da unten geblutet... seine Hose... redet nicht mehr... starrt nur vor sich hin ...
    Der Lastwagen werde nicht kommen, eröffnete uns Karim, nachdem wir eine Woche in dem von Ratten verseuchten Keller zugebracht hatten. Der Lastwagen lasse sich nicht mehr reparieren.
    »Es gibt noch eine andere Möglichkeit«, fuhr Karim fort und erhob im einsetzenden Gejammer seine Stimme. Sein Cousin besitze einen Tankwagen und habe damit schon einige Male Menschen geschmuggelt. Der Wagen stehe hier in Jalalabad bereit und sei wohl groß genug für uns alle.
    Alle außer einem älteren Ehepaar entschieden sich, das Wagnis einzugehen.
    Wir fuhren noch in derselben Nacht los - Baba und ich, Kamal und sein Vater und die anderen. Karim und sein Cousin, ein Mann mit kantigem Gesicht und schütterem Haar namens Aziz, halfen uns, in den Tank zu klettern. Einer nach dem anderen stiegen wir auf die hintere Plattform des mit laufendem Motor dastehenden Tankwagens, kletterten eine Leiter hinauf und ließen uns in den Tank hinunter. Ich weiß noch, dass Baba schon halb die Leiter hinaufgestiegen war, als er plötzlich wieder zu Boden sprang und die Schnupftabakdose aus der Tasche zog. Er leerte die Dose und hob eine Hand voll Erde von der Mitte der unbefestigten Straße auf. Er küsste die Erde. Ließ sie in die Dose rieseln. Steckte die Dose in seine Brusttasche, direkt neben dem Herzen.
    Panik.
    Du öffnest den Mund. Öffnest ihn so weit, dass der Kiefer knackt... Du befiehlst den Lungen, Luft einzusaugen, sofort, du brauchst Luft, du brauchst sie sofort. Aber deine Atemwege ignorieren dich. Sie kollabieren, werden enger, ziehen sich zusammen, und plötzlich atmest du wie durch einen Strohhalm. Dein Mund schließt sich, und die Lippen formen einen Schmollmund, und du bringst nichts weiter zustande als ein ersticktes Krächzen. Deine Hände zappeln und zittern. Irgendwo ist ein Damm gebrochen, und eine Flut von kaltem Schweiß ergießt sich, durchnässt deinen Körper. Du würdest am liebsten schreien. Das tätest du auch, wenn du könntest. Aber um zu schreien, musst du atmen.
    Panik.
    Im Keller war es dunkel gewesen. Im Tank war es pechschwarz. Ich schaute nach rechts, nach links, nach oben, nach unten, bewegte die Hand vor den Augen, sah nicht die geringste Bewegung. Ich blinzelte, blinzelte erneut. Nichts. Mit der Luft stimmte auch etwas nicht, sie war so dick, beinahe fest. Seit wann ist Luft

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