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Drachenläufer

Drachenläufer

Titel: Drachenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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eine Mutter, vielleicht habe auch er eine Frau. Der Russe hörte sich an, was Karim zu sagen hatte, und kläffte ein paar Worte.
    »Das ist der Preis, den er fordert, um uns passieren zu lassen«, erklärte Karim. Er brachte es nicht fertig, dem Ehemann in die Augen zu sehen.
    »Aber wir haben doch schon eine ziemlich große Summe bezahlt. Er bekommt eine Menge Geld«, sagte der Ehemann. Karim und der russische Soldat unterhielten sich wieder. »Er sagt... er sagt, dass jeder Preis auch eine Steuer hat.«
    Das war der Moment, als Baba sich erhob. Nun war ich an der Reihe, seinen Oberschenkel zu umklammern, aber Baba schüttelte meine Hand ab und zog sein Bein weg. Als er stand, war das Mondlicht verschwunden. »Ich möchte, dass du diesen Mann etwas fragst«, sagte Baba. Er sprach die Worte zu Karim, richtete seinen Blick dabei aber auf den russischen Soldaten. »Frag ihn, ob er keine Scham besitzt.«
    Sie wechselten einige Worte. »Er sagt, dass wir uns im Krieg befinden. Und im Krieg gebe es keine Scham.«
    »Sag ihm, dass er sich da irrt. Krieg bedeutet nicht, dass wir keinen Anstand mehr haben können. Er fordert ihn sogar, mehr noch als in Friedenszeiten.«
    Musst du immer den Helden spielen?, dachte ich mit pochendem Herzen. Kannst du es nicht einmal sein lassen? Aber ich wusste, dass er das nicht konnte - es lag einfach in seiner Natur, so zu handeln. Das Problem war nur, dass uns dieser Wesenszug alle umbringen würde.
    Als der russische Soldat etwas zu Karim sagte, umspielte ein Lächeln seine Lippen. »Aga Sahib«, sagte Karim, »diese Roussi sind nicht wie wir. Respekt oder Ehre sind ihnen kein Begriff.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Er sagt, dass es ihm genauso viel Vergnügen bereiten wird, Ihnen eine Kugel in den Kopf zu jagen, wie ...« Karim verstummte, nickte aber zu der jungen Frau hinüber, die die Aufmerksamkeit des Wachpostens geweckt hatte. Der Soldat warf die halb gerauchte Zigarette weg und zog seine Pistole aus dem Halfter. Hier also wird Baba sterben, dachte ich. Hier wird es passieren. Ich sprach ein stilles Gebet, das ich in der Schule gelernt hatte.
    »Sag ihm, dass ich mich lieber von tausend seiner Kugeln durchlöchern lasse, als eine solche Unanständigkeit zu dulden«, erklärte Baba. Meine Gedanken kehrten zu jenem Wintertag vor sechs Jahren zurück. Wie ich hinter dieser Ecke verborgen in die Gasse hineinspähte. Kamal und Wali, die Hassan am Boden niederhielten. Assefs Gesäßmuskeln, die sich immer wieder anspannten, seine Hüften, die immer wieder vorwärts stießen. Was für ein erbärmlicher Held ich damals gewesen war, hatte mir Sorgen um den Drachen gemacht. Manchmal fragte ich mich, ob ich wirklich Babas Sohn war.
    Der Russe mit dem Bulldoggen-Gesicht hob die Pistole.
    »Baba, so setz dich doch bitte hin«, sagte ich und zog an seinem Ärmel. »Ich glaube, er will dich wirklich erschießen.«
    Baba schlug meine Hand weg. »Habe ich dir denn gar nichts beigebracht?«, fuhr er mich an. Dann wandte er sich wieder dem grinsenden Soldaten zu. »Sag ihm, dass er mich besser mit diesem ersten Schuss erwischen soll, denn wenn ich nicht zu Boden gehe, werde ich ihn in Stücke reißen, verdammt sei sein Vater!«
    Das Grinsen des russischen Soldaten erstarb auch dann nicht, als er die Übersetzung vernahm. Er entsicherte seine Waffe. Richtete den Lauf auf Babas Brust. Das Herz klopfte mir bis zum Hals, und ich vergrub mein Gesicht in den Händen.
    Der Schuss ging los.
    Das war es also. Ich bin achtzehn und allein. Ich habe niemanden mehr auf der Welt. Baba ist tot, und ich muss ihn begraben. Wo soll ich ihn begraben? Wo soll ich danach hin?
    Aber meine sich überschlagenden Gedanken kamen zum Stillstand, als ich vorsichtig die Lider öffnete und Baba immer noch an derselben Stelle stand. Ich erblickte einen zweiten russischen Soldaten bei den anderen. Aus der Mündung seiner nach oben gerichteten Waffe stieg Rauch. Der Soldat, der vorgehabt hatte, Baba zu erschießen, hatte seine Waffe schon wieder in den Halfter gesteckt. Er scharrte mit den Füßen. Mir war noch nie so sehr nach Weinen und Lachen zugleich gewesen.
    Der zweite russische Soldat, grauhaarig und beleibt, sprach in gebrochenem Farsi mit uns. Er entschuldigte sich für das Verhalten seines Kameraden. »Russland schickt sie hierher, damit sie kämpfen«, sagte er. »Aber es sind doch noch Kinder, und wenn sie hierher kommen, entdecken sie die Verlockungen der Drogen.« Er warf dem jungen Soldaten den reuevollen Blick eines

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