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Drachenläufer

Drachenläufer

Titel: Drachenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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neue Familie sein würden: eine junge Khanum Taheri mit aufgebauschtem Haar und der General vor den Niagarafällen. Khanum Taheri in einem nahtlosen Kleid, der General in einem Jackett mit schmalem Revers und schmaler Krawatte, das Haar voll und schwarz; eine winkende und lachende Soraya, die gerade in eine Holzachterbahn steigt und deren Zahnspange im Sonnenlicht glitzert. Ein Foto des Generals - sehr schneidig in seiner Uniform -, auf dem er dem König von Jordanien die Hand schüttelt. Ein Foto von Zahir Shah.
    Das Wohnzimmer war mit ungefähr zwei Dutzend Gästen voll gestopft, die auf Stühlen entlang der Wände saßen. Als Baba eintrat, standen alle auf. Wir gingen im Zimmer umher - Baba immer ganz langsam voran und ich direkt hinter ihm -, schüttelten Hände und begrüßten die Gäste. Der General, der wieder seinen grauen Anzug trug, und Baba umarmten sich und tätschelten einander den Rücken. Sie sagten ihre »Salaams« mit respektvoll gedämpfter Stimme.
    Der General hielt mich auf Armeslänge entfernt und lächelte wissend, ganz so, als wollte er sagen: »Das ist jetzt der richtige - der afghanische - Weg, es zu tun, bachem.« Wir küssten einander dreimal auf die Wange.
    Baba und ich saßen in dem überfüllten Zimmer nebeneinander, gegenüber vom General und seiner Frau. Babas Atmung war ein wenig unregelmäßig geworden, und er wischte sich andauernd mit einem Taschentuch den Schweiß von Stirn und Kopf. Er bemerkte, dass ich ihn ansah, und brachte ein angestrengtes Grinsen zustande. »Alles in Ordnung«, sagte er lautlos.
    Soraya war der Tradition entsprechend nicht anwesend.
    Es folgten einige Augenblicke, die gefüllt waren mit oberflächlicher Konversation und Geplapper, bis der General sich räusperte. Da wurde es still im Zimmer, und alle blickten respektvoll auf ihre Hände hinab. Der General nickte Baba zu.
    Baba räusperte sich ebenfalls. Als er zu sprechen begann, vermochte er nicht in ganzen Sätzen zu reden, ohne zwischendurch Luft zu holen. »General Sahib, Khanum Jamila jan ... mit großer Demut sind mein Sohn und ich ... heute in Ihr Haus gekommen. Sie sind ... ehrenwerte Leute ... stammen aus vornehmen und angesehenen Familien ... und stolzen Geschlechtern. Ich komme mit nichts weiter als dem größten ihtiram ... der größten Achtung für Sie, den Namen Ihrer Familie ... und das Andenken Ihrer Vorfahren.« Er verstummte. Schnappte nach Luft. Wischte sich die Stirn. »Amir jan ist mein einziger Sohn ... mein einziges Kind ... und er ist ein guter Sohn gewesen. Ich hoffe ... er erweist sich Ihrer Güte würdig. Ich bitte Sie, Amir jan und mir die Ehre zu erweisen ... und meinen Sohn in Ihre Familie aufzunehmen.«
    Der General nickte höflich.
    »Wir fühlen uns geehrt, den Sohn eines Mannes, wie Sie es sind, in unserer Familie willkommen zu heißen«, sagte er. »Ihr Ruf eilt Ihnen voraus. Ich war Ihr demütiger Bewunderer in Kabul und bin es bis zum heutigen Tag. Wir fühlen uns geehrt, dass sich unser beider Familien vereinen werden.
    Amir jan, was dich angeht, so heiße ich dich als Sohn, als Ehemann meiner Tochter, die mein Augenstern ist, in meinem Haus willkommen. Dein Schmerz wird unser Schmerz sein, deine Freude unsere Freude. Ich hoffe, dass du Khala Jamila und mich als deine zweiten Eltern ansehen wirst, und ich bete für dein Glück und das unserer lieblichen Soraya. Ihr beide habt unseren Segen.«
    Alle applaudierten, und sämtliche Köpfe wandten sich dem Flur zu. Das war der Moment, auf den ich gewartet hatte.
    Soraya tauchte an seinem Ende auf. Sie trug ein atemberaubendes weinrotes, traditionelles afghanisches Kleid mit langen Ärmeln und Goldverzierungen. Baba ergriff meine Hand und drückte sie. Khanum Taheri brach erneut in Tränen aus. Soraya kam langsam auf uns zu, gefolgt von einer Prozession junger Frauen aus ihrer Verwandtschaft.
    Sie küsste die Hände ihres Vaters und setzte sich schließlich mit gesenktem Blick neben mich.
    Der Applaus schwoll an.
    Der Tradition gemäß hätte Sorayas Familie die Verlobungsfeier - die Shirini-khori oder Zeremonie des Essens der Süßigkeiten - ausgerichtet. Dann wäre eine Verlobungszeit von mehreren Monaten gefolgt. Im Anschluss daran die von Baba bezahlte Hochzeit.
    Wir stimmten alle darin überein, dass Soraya und ich auf die Shirini-khori verzichten sollten. Jeder kannte den Grund, daher musste erst gar nicht ausgesprochen werden, dass Baba so viele Monate nicht mehr zu leben hatte.
    Während der Hochzeitsvorbereitungen

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