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Drachenläufer

Drachenläufer

Titel: Drachenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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deutete mit dem Radiergummiende seines Bleistifts auf die Bilder von Babas Krebs, ganz wie ein Polizist, der der Familie des Opfers Fotos des Mörders zeigt. Die Bilder von Babas Gehirn sahen wie Querschnitte einer riesigen Walnuss aus, die von großen grauen Punkten durchlöchert war.
    »Wie Sie sehen können, hat der Krebs Metastasen gebildet«, sagte er. »Ihr Vater wird Steroide nehmen müssen, um die Schwellung in seinem Gehirn zu verringern, und auch Antiepileptika. Und ich würde eine palliative Strahlentherapie empfehlen. Wissen Sie, was das bedeutet?«
    Ich nickte. Ich war inzwischen mit den Fachausdrücken der Krebstherapien nur allzu gut vertraut.
    »Also schön«, sagte er. Kontrollierte seinen Piepser. »Ich muss jetzt gehen, aber Sie können mich ja rufen lassen, wenn Sie irgendwelche Fragen haben.« »Vielen Dank.«
    Ich verbrachte die Nacht auf einem Stuhl neben Babas Bett.
    Am nächsten Morgen war das Wartezimmer am Ende des Flurs voll gestopft mit Afghanen. Der Metzger aus Newark. Ein Ingenieur, der mit Baba an seinem Waisenhaus gearbeitet hatte. Sie strömten hintereinander ins Zimmer und machten Baba mit gedämpften Stimmen ihre Aufwartung. Wünschten ihm eine baldige Genesung. Baba war wach. Angeschlagen und erschöpft, aber wach.
    Am späten Morgen kamen General Taheri und seine Frau. Soraya folgte ihnen. Wir warfen einander einen kurzen Blick zu und schauten gleich wieder zur Seite. »Wie geht es Ihnen, mein Freund?«, fragte General Taheri und nahm Babas Hand.
    Baba deutete auf den Infusionsschlauch, der an seinem Arm hing. Lächelte schwach. Der General erwiderte das Lächeln.
    »Sie hätten sich nicht die Mühe machen sollen. Keiner von Ihnen«, krächzte Baba. »Das ist doch keine Mühe«, versicherte Khanum Taheri.
    »In keiner Weise«, ergänzte der General. »Viel wichtiger ist, ob Sie etwas benötigen? Irgendetwas? Scheuen Sie sich nicht, mich zu fragen, so wie Sie einen Bruder fragen würden.«
    Ich erinnerte mich an etwas, was Baba einmal über die Paschtunen gesagt hatte. Wir mögen dickköpfig sein, und ich weiß, dass wir viel zu stolz sind, aber in der Stunde der Not gibt es nichts Besseres, als einen Paschtunen zur Seite zu haben, das kannst du mir glauben.
    Baba schüttelte den Kopf. »Ihr Kommen allein hat meinen Augen Glanz verliehen.« Der General lächelte, drückte Babas Hand und wandte sich an mich: »Wie geht es Ihnen, Amir jan? Benötigen Sie etwas?«
    Die Art und Weise, wie er mich ansah, die Freundlichkeit in seinen Augen ... »Nein, vielen Dank, General Sahib. Ich ...« Plötzlich schnürte mir etwas die Kehle zu, und Tränen stiegen mir in die Augen. Ich stürzte aus dem Zimmer.
    Ich weinte im Flur, neben dem Glaskasten, wo ich am Abend zuvor das Antlitz des Mörders gesehen hatte.
    Babas Tür öffnete sich, und Soraya trat aus dem Zimmer. Sie blieb neben mir stehen. Sie trug ein graues Sweatshirt und Jeans. Ihre Haare waren offen. Ich hätte so gern Trost in ihren Armen gefunden.
    »Es tut mir so Leid, Amir«, sagte sie. »Wir wussten alle, dass etwas nicht stimmt, aber wir hatten ja keine Ahnung, dass es so etwas ist.«
    Ich wischte mir mit dem Ärmel über die Augen. »Er wollte nicht, dass es jemand erfährt.«
    »Brauchst du irgendetwas?«
    »Nein.« Ich versuchte zu lächeln. Sie legte ihre Hand auf meine. Unsere erste Berührung. Ich ergriff die Hand. Zog sie an meine Wange, legte sie auf meine Augen. »Du solltest besser wieder hineingehen. Sonst wird dein Vater mir noch zu Leibe rücken.«
    Sie lächelte und nickte. »Das sollte ich wohl.« Sie wandte sich ab, um zu gehen.
    »Soraya?«
    »Ja?«
    »Ich bin froh, dass du gekommen bist. Es ... es hat mir unendlich viel bedeutet.«
    Die Ärzte entließen Baba zwei Tage später. Sie zogen einen Spezialisten hinzu, einen so genannten Strahlenonkologen, um Baba zu einer Strahlentherapie zu überreden. Baba lehnte ab. Sie versuchten mich zu überreden, ihn zu überreden. Aber ich hatte den Ausdruck auf Babas Gesicht gesehen. Ich bedankte mich bei ihnen, unterschrieb die notwendigen Formulare und brachte Baba in meinem Ford Torino nach Hause.
    An jenem Abend lag er unter einer Wolldecke auf dem Sofa. Ich brachte ihm heißen Tee und geröstete Mandeln. Schlang meine Arme um seinen Rücken und zog ihn in eine sitzende Position. Es ging viel zu leicht; sein Schulterblatt fühlte sich unter meinen Fingern wie der Flügel eines Vogels an. Ich zog ihm die Decke wieder bis zur Brust hoch, wo die Rippen seine dünne, bleiche

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