Drachenland: Roman (German Edition)
sorgen!« Er wandte allen den Rücken zu und verließ die Kajüte.
»Euer Vater ist kein Mann der Kompromisse«, sagte Vora.
»Er hat einen Sohn verloren«, sagte Dayon, »und einen Krieg. Was erwartet Ihr?«
Vora nickte. »Ich verstehe, aber ich werde ihn einfach ignorieren müssen.«
»Das wird nicht leicht sein.«
Tamark, der neben Dayon stand, lächelte kläglich. »Es wäre beinahe leichter, einen Frostdrachen zu ignorieren.« Er und Vora blickten einander verständnisvoll an und kehrten dann zu ihren nautischen Aufgaben zurück.
Falkenwind und Lady Ceria standen auf dem Vorderdeck des Flaggschiffs, von einem sanften Wind umweht. Ceria blickte in den Nebel hinaus. Sie konnten kaum etwas sehen; die dichten Wolken über ihnen verdeckten den Mond, und auch über dem Deck lagen Nebelschwaden. Über dem Ausguck am Großmast beschrieb der Falke seine Kreise, aber auch er war im Nebel kaum zu sehen.
Es war so still, als sei die Zeit an sich und jede Veränderung dem Meer fremd. Nur das gedämpfte Flattern der Segel war über dem leichten Plätschern der Wellen zu hören. Weit hinter ihnen warteten auf dem Achterdeck beim Lateinsegel ein paar Fandoraner auf Jondalrun. Einer von ihnen, ein junger Mann, spielte eine traurige Weise auf einer Schalmei.
»Die Fandoraner haben Angst«, sagte Ceria leise, während sie der Melodie lauschte. »Sie sind weit weg von zu Hause.«
»Wie wir alle«, entgegnete Falkenwind mit gedämpfter Stimme, »aber wir müssen weitermachen. Wir haben Eviraes Intrigen nicht Einhalt geboten, um uns den Frostdrachen zu ergeben. Simbala muss geschützt werden.«
»Ja, mein Liebster, aber wie können wir das Misstrauen zwischen unseren Truppen und denen Fandoras beseitigen? Viele haben das Gefühl, der Krieg sei noch gar nicht beendet.«
»Das stimmt bei einigen«, sagte er, »aber sie werden noch viel schwereres Leid ertragen müssen, wenn sie nicht zur Vernunft kommen. Die Frostdrachen sind wilde Geschöpfe. Wir müssen uns alle gegen sie zusammentun.«
Ceria blickte auf das offene Meer. »Falkenwind«, sagte sie, »sieh nur dort drüben. Der Wind vertreibt die Wolken.«
Falkenwind spähte durch den Nebel und sah, dass sich in der Ferne irgendetwas Massiges nach Osten bewegte. Weiter oben verlagerte sich eine andere Masse rasch nach Westen.
»So etwas habe ich während all meiner Reisen noch nie gesehen«, sagte Falkenwind erstaunt. »Wie können die Luftströmungen die Wolken gleichzeitig in zwei Richtungen treiben?«
Ceria nickte. Plötzlich fühlte sie eine Kälte, eine Furcht, genauso wie damals, als der Frostdrache zum ersten Mal am Palast aufgetaucht war. Diesmal war die Empfindung stärker, viel stärker. Sie klammerte sich an Falkenwinds Umhang.
»Was ist denn?«, fragte Falkenwind, aber während er noch fragte, wusste er schon die Antwort. Durch die aufbrechenden Wolken sah er den schimmernden Mond am Himmel, und vor dieser silbernen Fläche flatterte etwas – wie Flügel! Dann folgten rasch weitere Flügel und noch mehr. Eine schwarze Wolke, furchterregend, ungeheuerlich und unglaublich, jagte vor dem Mond vorüber.
»Das kann nicht sein!«, rief Ceria. »Was wir in der Drachenperle gesehen haben …«
»Vergiss den Edelstein!«, rief Falkenwind ihr zu. »Dies hier ist die Wirklichkeit!« Er wandte sich zum Hauptdeck, und im gleichen Augenblick drang aus der Dunkelheit ein ferner Schrei blutrünstigen Zorns zu ihnen.
»Die Frostdrachen kommen!«, schrie Falkenwind. »Wir müssen uns zur Verteidigung bereithalten! Alle Mann an Deck! Alle Mann an Deck!«
Ceria beobachtete die Wolken und spürte, wie der Wind zunahm. Wie hatten sie nur die Bilder in der Drachenperle so falsch beurteilen können? Ihr schauderte. Die geflügelte Horde über ihnen entzog sich jedem Vorstellungsvermögen. Die Ungeheuer schienen selbst die Sterne am Himmel zu schlucken!
Sie sagte leise zu Falkenwind: »Liebster, ich habe nicht gewusst …«
»Ich weiß«, erwiderte er. »Wie hättest du auch diese Gefahr voraussehen können? Aber jetzt müssen wir handeln!«
Er trat rasch an den Rand des Hauptdecks und erteilte den Fandoranern und Simbalesen, die aus dem unteren Deck nach oben strömten, mit lauter Stimme die nötigen Anweisungen. Die aufgerollten Seile, die sie zum Festmachen und für andere Manöver dabeihatten, würden jetzt einem heikleren Zweck dienen.
»Bringt die Ölfässer vom Achterdeck!«, schrie Falkenwind, dann ließ er Vora und Jondalrun aus der Kajüte unter dem Großmast
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