Drachenlanze - Das Mädchen mit dem Schwert
einer Minotaurentruppe mit Sitz in Kargod, die
sich als Söldner verdingten. Wenn Nolan die Überfälle
beenden wollte, indem er Flinkwasser und seine verfemten
Gefolgsleute tötete, würde es nützlich sein, Minotauren auf
seiner Seite zu haben, hatte Gregor erklärt.
»Ich habe von diesem Flinkwasser gehört«, erzählte Gregor
seiner Tochter, als sie durch das stille Lager liefen. »Er ist ein
Wilder, schlimmster menschlicher Abschaum. Es heißt, daß er
ohne Kopf kämpft – und auch ohne Herz. Bei einem solchen
Gegner sind die Minotauren ihren Preis wert. Seine primitive
Wildheit wird sie wütend machen, und sie werden kämpfen bis
zum Letzten.«
Als sie Nolans Zelt erreichten, wies Gregor Kitiara an,
draußen zu warten. Sie kroch so nah wie möglich an das Licht
heran, das unter der Türklappe des Zelts herausdrang, und
blinzelte hinein. Sie sah ihren Vater mit dem Rücken zum
Eingang vor einem Tisch stehen, auf dem eine große Karte
ausgebreitet war. Nicht zum ersten Mal fand sie, daß Gregor
der schönste Mann ihres Lebens war: Majestätisch und kräftig
mit muskulösen Gliedmaßen und rabenschwarzen Haaren, die
sich dicht um seinen Kopf lockten und seine Oberlippe mit
einem üppigen Schnurrbart schmückten.
Gregor gegenüber stand auf der anderen Seite des Tischs ein
blonder, glattrasierter Mann. Er trug eine grüne Bauerntunika,
und sein Schwert steckte in einer Scheide, die er sich mit einer
Schärpe ungeschickt vor den Bauch gebunden hatte. Nolan,
dachte Kitiara.
Rechts neben Nolan trat auf ein Zeichen ihres Vaters jemand
aus dem Schatten. Sie hielt den Atem an. Das Wesen überragte
selbst Gregor, der über sechs Fuß groß war. Es trug einen
schweren Ledergürtel, an dem bunte Edelsteine blitzten und in
dem eine beeindruckende Vielzahl von Dolchen und anderen
Waffen steckte, am auffälligsten darunter eine riesige
Doppelaxt. Die zwei Hörner von jeweils mindestens zwei Fuß
Länge, die aus seiner Stirn ragten, drohten die Spitze des Zelts
zu zerreißen.
»Ein Minotaurus!« flüsterte Kit atemlos.
Ihr Vater hatte ihr viele Geschichten von diesen wilden,
gnadenlosen Kämpfern erzählt, aber in ihren sieben
Lebensjahren hatte sie in Solace, dem Dorf in den
Baumwipfeln, noch keinen gesehen.
Burek, der Minotaurus, erläuterte mit tiefer, kehliger Stimme
die Strategie für die Schlacht am nächsten Tag. Gregor und
Nolan grübelten über der Karte. Irgendwann machte Gregor
eigene Vorschläge für den Schlachtplan, von denen einige
Burek offenbar nicht besonders gefielen. Nolan schlug sich
unerwartet auf Bureks Seite, und Gregor, der vor
unterdrücktem Ingrimm bebte, wandte sich gegen Burek. Er
baute sich vor dem Minotaurus auf und redete heftig auf ihn
ein. Burek wich nicht von seiner Meinung ab, doch auch
Gregor gab nicht nach. Der Krieger bearbeitete Burek mit
lauter Stimme und vor Wut rot angelaufenem Gesicht. Kitiara
konnte sehen, wie die Punkte in den Augen ihres Vaters über
dem Heben und Senken seines auffälligen Schnurrbarts
tanzten.
»Red mir nicht von mutmaßlichen Situationen; gib mir den
eisernen Würfel der Schlacht! Alles andere ist Blabla! Ich
verwette mein Leben.«
»Pah! Ich sage, es ist besser, abzuwarten und zuzusehen.
Dein Leben bedeutet mir nichts. Ihr Menschen habt es sowieso
alle so eilig mit dem Sterben!«
»Wenn ich mal was sagen dürfte – «
»NEIN!«
Der Streit wurde heftiger. Er schien stundenlang so
weiterzugehen.
Kitiara mußte eingeschlafen sein, während sie dort draußen
vor dem Zelt auf dem Boden hockte. Sie erwachte, als Gregor
sie liebevoll auf die Arme hob und mit ihr zu ihrem Nachtlager
lief. Jetzt sah er gelassen aus, wie üblich um diese nächtliche
Stunde, wenn alle Leute – und alle Streitereien – ruhten. Das
kleine Mädchen lächelte seinen Vater verschlafen an, und er
lächelte zurück. Ihre Gesichter waren sich so ähnlich. Beide
zogen den rechten Mundwinkel immer ein wenig nach oben,
was sie gleichzeitig charmant und durchtrieben wirken ließ.
»Morgen, meine kleine Kriegerin, morgen wirst du sehen,
welche Macht und Wahrheit im Schwert liegt«, flüsterte
Gregor Kit zu, während er eine Decke um sie feststeckte. Sie
zitterte vor Vorfreude, rollte sich neben ihrem Vater zusammen
und schlief wieder ein.
Es war noch dunkel, als Gregor Kitiara weckte. Die
Sommernacht hatte sich nicht abgekühlt, und jetzt, vor der
Morgendämmerung, hing die warme Luft schwer und feucht
über dem Lager. Kit rieb sich die Augen und stand dann
schnell
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