Drachenlanze - Die Stunde der Diebe
letzten Tage, von der Herstellung des Armbands
über sein Verschwinden
– mit Tolpans Hilfe – bis zu dem
Diebstahl aus dem Wagen des Kesselflickers.
»Wir wollten gerade aufbrechen, um diesen diebischen
Barden zu suchen und Euer Armband zurückzuholen, als wir,
äh, Euch draußen trafen. Mir hat noch nie etwas so leid getan«,
sagte Flint und ließ den Kopf hängen. »Und auch wenn ich
diesen Kender am liebsten erwürgen würde«, raunzte der
Zwerg mit zusammengebissenen Zähnen und schmalen
Schlitzaugen, »bin trotzdem ich selbst für dieses ganze,
verdammte Mißgeschick verantwortlich. – Ich würde Euch
gern Euer Geld zurückgeben, wenn ich es könnte, aber das
habe ich bereits für Reiseproviant ausgegeben«, fügte er
betreten hinzu.
»Das Geld will ich nicht«, sagte die junge Frau. »Es ist das
Armband, das ich brauche, und ich bestehe darauf, daß Ihr es
auf der Stelle wieder beschafft.«
Bei ihrem herrischen Tonfall wurde Flint vor Scham noch
röter, doch der Halbelf ärgerte sich. »Natürlich hätte das
Armband nicht herumliegen dürfen«, sagte Tanis kalt, »aber es
würde Euch nichts schaden, wenn Ihr etwas Geduld und
Verständnis aufbringen könntet. Flint hat Euch erklärt, daß er
sich bemüht hat, es zurückzuholen.«
»Weißt du, Flint, ich habe nachgedacht«, mischte sich der
Kender ein. »Es ist doch ganz gut, daß ich damals
vorbeigekommen bin. Reorx allein weiß, wer es da
mitgenommen hätte, wo du es sorgloserweise liegengelassen
hast, wenn ich es nicht gleich in Sicherheit gebracht hätte.«
»Sorgloserweise liegengelassen?« bellte Flint und sprang
auf. »Das Armband lag sicher aufbewahrt in meinem
Schaukästen! Und du hast nur versucht, es zu stehlen, du
diebischer, kleiner – «
»Dieb!« schrie Tolpan beleidigt, als er sich mit geballten
Fäusten vor den kochenden Zwerg stellte. »Ich hab’s endgültig
satt, immer die Schuld für die Nachlässigkeit anderer Leute zu
kriegen. Hör mal zu, du alter – aua, Tanis!« Tolpan funkelte
den Halbelfen an, der sich zwischen sie gestellt hatte und den
Kender in die rechte Schulter kniff.
»Schluß damit, ihr beide«, ermahnte Tanis sie. »Das hilft uns
auch nicht, das Armband zu finden.« Er drehte sich zu der
blassen Frau um, die während des heftigen Wortwechsels
geschwiegen hatte und deren Gesicht jetzt alle Schattierungen
zwischen Verärgerung und Sorge zeigte. »Wenn Ihr das
Armband wollt, warum kann Flint nicht einfach ein neues
machen?«
»Ihr begreift gar nichts!« schrie Selana, wobei sie unwirsch
mit dem Fuß aufstampfte. »Selbst wenn die Zeit dazu reichen
würde, diese besonderen Materialien waren einzigartig. Ihr
habt keine Ahnung, was ich durchgemacht habe, um sie zu
bekommen.« Bei der Erinnerung schluchzte sie auf.
»Warum erzählt Ihr es uns nicht?« beharrte Tanis. Ihre
Reaktion bestätigte seinen wachsenden Verdacht, daß es hier
um mehr ging, als um ein fehlendes Armband. »Wenn Ihr
schon dabei seid, warum sagt Ihr uns nicht, warum ein zartes
Mädchen ein magisches Armband braucht, das die Zukunft
vorhersagen kann?«
Ihre schlanke Hand flog vor den Mund. »Ihr wißt es?«
Tanis schüttelte den Kopf. »Bis jetzt hatten wir nur das
Geschwätz eines abergläubischen Kesselflickers und Tolpans
Verdacht.«
Wütend verfinsterten sich ihre Augen von Meergrün zu
Orkanschwarz. »Mit welchem Recht wollt Ihr das wissen? Ihr
habt mich reingelegt!« Sie hob die Hand und wollte ihn
ohrfeigen.
Mit zusammengekniffenen Mandelaugen fing Tanis ihre
Hand ab. »Nicht mehr als Ihr, als Ihr bei Flint ein
>gewöhnliches< Armband in Auftrag gegeben habt. Ihr solltet
wissen, wie sehr Zwerge der Magie mißtrauen. Welches Recht
hattet Ihr, die magischen Eigenschaften des Armbands vor ihm
zu verheimlichen?«
»Ich habe nie behauptet, daß es >gewöhnlich< wäre«, gab
sie zurück. »Ich habe einen bekannten Handwerker aufgesucht,
der mir eine Arbeit erledigen sollte, für die er großzügig
bezahlt wurde. Erzählt Ihr dem Schneider, der Euren Rock
macht, auf welchem Fest Ihr tanzen geht?«
»Das ist nicht dasselbe!« schnappte Tanis.
Diesmal war es Flint, der zwischen die zwei Streitenden trat.
Tanis ließ Selanas Handgelenk los, als Flint ihn böse ansah.
»Was ist in dich gefahren? Was das Armband auch ist oder
war, ich war dafür verantwortlich. Ich hätte es nicht aus den
Augen lassen dürfen. Jetzt muß ich es zurückholen – und zwar
egal wie!«
Seine beruhigend gemeinte Feststellung rief nur einen
Schreckenslaut bei
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