Drachenlanze - Die Stunde der Diebe
einen neuen Termin geben wird. Danach
bringst du diesen Mann in der Burg unter. Ihr versteht sicher,
Omardicar, daß ich Euch in Euren Räumen wissen möchte, bis
wir genau erfahren haben, was los ist. Fröder, darum kümmerst
du dich.« Damit ließ sich der Mann aus dem Raum helfen,
wobei er sich schwer auf seinen resignierten Sohn stützte.
Balkom folgte ihnen in angemessener Entfernung. Er hatte
seine Hände in die weiten Ärmel seiner Tunika gesteckt, und
seine Miene war so ungerührt wie die ganze Zeit vorher.
Delbridge, der mit Fröder zurückblieb, schüttelte verwundert
den Kopf. Die Sache entwickelte sich recht gut, aber anders,
als er gedacht hatte. Trotzdem, wer konnte Einwände gegen ein
reichliches Abendbrot an einem Kaminfeuer erheben, das nur
zu seinem Wohlbefinden angezündet wurde, wenn man
anschließend noch tief und fest in einem sauberen Daunenbett
schlafen konnte?
Ein leises Kitzeln an Delbridges Handgelenk erregte seine
Aufmerksamkeit. Er legte eine Hand über das Kupferarmband.
Das Metall war ziemlich warm. Delbridge war heute nicht
mehr in der Verfassung für weitere Visionen, besonders nicht
vor Fröder. Er versuchte, das Armband abzustreifen, aber es
saß zu fest. Nach viel Ziehen und Zerren konnte er es
schließlich mühsam von seinem dicken Handgelenk schieben,
wobei er sich die Hand zerkratzte. Er steckte das Armband in
seinen Beutel. Jetzt, wo er mit sich selbst so richtig zufrieden
war, folgte er dem ungeduldigen Gefolgsmann aus dem
Audienzsaal in die luxuriös ausgestattete Burg und freute sich
auf den Lohn seiner Mühen.
Vielleicht hatte er endlich seine wahre Lebensstellung
erreicht.
Delbridge erwachte, weil eine Hand ihn unsanft an den
Schultern rüttelte.
»Omardicar, der Allwissende?«
»Wer? Oh, ja«, murmelte er nach kurzer Verwirrung.
Während er zwinkernd ins Licht einer Lampe starrte, erinnerte
sich Delbridge langsam wieder daran, wer er war und wo er
war. Er setzte sich langsam auf, wobei eine leere Weinflasche
vom Vorabend von seiner Brust rollte und auf dem Steinboden
zerschellte. »Wer bist du, und was willst du?«
Der bullige Mann in Kettenrüstung über ihm lachte, so daß
sein dicker, roter Bart und der Schnurrbart im flackernden
Lichtschein tanzten. »Ich beantworte keine Fragen von
Halunken. Du bist verhaftet.« Ein zweiter Soldat zog die
Vorhänge vom Fenster an der gegenüberliegenden Seite des
Raums zurück, womit er schwaches Dämmerlicht hereinließ.
Der rotbärtige Mann nahm Delbridge am Oberarm und zerrte
ihn aus dem Bett.
»Was redest du da?« kreischte Delbridge, während er versuchte, den starken Fingern des Mannes zu entkommen. »Ich
bin Lord Curstons Gast! Es wird ihm sehr mißfallen, wie
unhöflich ihr mich behandelt. Ich will ihn auf der Stelle
sprechen!«
Der Feldwebel hielt ihn weiter fest, sagte aber kein Wort.
Delbridge wußte, daß er am Abend zuvor zuviel getrunken
hatte, aber er war die ganze Zeit in diesem Zimmer gewesen
und konnte demnach unmöglich irgend etwas verbrochen
haben.
»Vielleicht brauchst du einen kleinen Anreiz«, gab
Delbridge dem Mann zu verstehen, während er zum Tisch
langte, wo ein kleiner Haufen Münzen lag, doch die Wache riß
seinen Arm zurück.
»Versuch bloß keinen von deinen magischen Tricks bei mir,
du Schweinehund.« Der Soldat zog Delbridge hinter sich her,
aus seiner Schlafkammer im ersten Stock eine schmale
Treppenstiege hinunter, und dann aus dem Osteingang der
Burg heraus. Zwei weitere Wachen mit Piken schlössen sich
ihnen an, als sie den Burghof überquerten und auf einen
Torbogen mit der Aufschrift »Kerker« zusteuerten.
Delbridge lachte regelrecht hysterisch. »Merkt ihr’s denn
nicht? Ihr habt mich mit jemand anderem verwechselt, kann ja
leicht vorkommen bei so vielen Fremden am Audienztag.« Er
versuchte, sich seinen Häschern zu entwinden. »Wenn ihr mich
jetzt einfach gehen laßt, werde ich die Sache auf sich beruhen
lassen.«
Statt dessen wurde er noch fester gepackt. Die Soldaten
mußten Delbridge hinter sich her schleifen, als sie die Schwelle
überschritten und den dunklen, kalten, faulig stinkenden
Kerker betraten. Der rothaarige Feldwebel öffnete eine
schwere, verriegelte Holztür, die mit quietschenden Angeln
aufschwang. Obwohl Delbridge schluchzend seine Unschuld
an jedwedem Verbrechen beteuerte, wurde er durch die Tür
gestoßen und landete auf den Knien, in einer nassen, lichtlosen
Zelle. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloß, und die Wachen
gingen davon.
Das Quietschen der
Weitere Kostenlose Bücher