Drachenlied
DREIZEHN
Harfner, dein Lied ist voll Kummer und Schmerz,
Jeden Frohsinn trägt es zu Grab.
Deine Stimme klingt dumpf, es stockt deine Hand
Und du wendest den Blick von mir ab.
Als Menolly endlich zu dem Schluss kam, dass T’gellan sein Versprechen vergessen hatte und sie hier sitzen ließ, kletterte sie mühselig nach unten und humpelte durch den heißen Sand der verlassenen Brutstätte zum Ausgang.
Prinzessin kam ihr entgegengeschwirrt und verlangte Zuspruch und Zärtlichkeit. Dann tauchte der ganze Schwarm auf, mit nervösem Zetern und offenbar immer noch auf der Hut vor Ramoth.
Obgleich Menolly nicht weit über den Sand gehen musste, durchdrang die Hitze rasch die dünnen Sohlen ihrer Pantoffeln. Ihre Füße brannten, als sie den kühleren Boden des Kessels erreicht hatte. Sie ließ sich neben dem Ausgang niedersinken und wartete, bis der schlimmste Schmerz nachgelassen hatte.
Da im Moment alle im Küchengewölbe auf der anderen Seite des Kessels zu tun hatten, bemerkte sie keiner, und das war ihr ganz recht, denn sie kam sich nutzlos und lächerlich vor. Ein langer Fußmarsch am Rand des Kessels bis zum Kücheneingang stand ihr bevor. Nun, vielleicht schaffte sie ihn in kleinen Etappen.
Sie hörte das schwache Blöken der Herdentiere am Ende des Talkessels und sah Ramoth über der Weide schweben. Die Küchenweiber hatten erzählt, dass Ramoth seit zehn Tagen ohne Futter geblieben war und wohl auch deshalb so leicht in Zorn geriet.
Am Seeufer badeten die Jungreiter erstmals ihre kleinen Drachen; die Erwachsenen zeigten ihnen, wie man die empfindliche Haut der Tiere ölte. Die kleine Königin befand sich ein wenig abseits, zusammen mit zwei Bronzedrachen. Wo der weiße Drache war, konnte Menolly nicht erkennen.
Auf den Felsvorsprüngen des Weyrkessels lagen einige Drachen zusammengerollt in der Spätnachmittagssonne. Hoch zu ihrer Linken entdeckte Menolly den Bronzedrachen Mnementh vor dem Eingang zu Ramoths Höhle. Er saß aufgerichtet da und beobachtete seine Gefährtin bei der Beutesuche. Dann wandte er den Kopf, und Menolly sah, dass ein Mann den Königinnen-Weyr verließ und die Stufen im Fels herunterkam.
Felenas Stimme, die sich über das allgemeine Gewirr erhob, lenkte ihre Aufmerksamkeit zurück zum Küchengewölbe. Drachenreiter stellten Tische und Bänke für den abendlichen Festschmaus auf. Man erkannte sie an den leuchtenden Gewändern, die sich deutlich von den gedeckten Trachten der Burgbewohner und Gildeangehörigen unterschieden.
Der Mann hatte inzwischen die Stufen geschafft, und Menolly sah zu, wie er den Kessel durchquerte. Tantchen Eins und Zwei landeten auf ihrer Schulter und zirpten aufgeregt. Irgendetwas schien sie erschreckt zu haben. Ihre Haut brauchte dringend Öl, und Menolly hatte ein schlechtes Gewissen, dass sie sich nicht besser um die Kleinen kümmerte.
»Hast du gleich zwei Grüne?«,fragte eine belustigte Stimme, und der hochgewachsene Mann stand vor ihr. Er musterte sie mit freundlichen, teilnahmsvollen Blicken.
»Ja«, bestätigte sie, »die beiden gehören mir.« Und sie hob Tantchen Zwei hoch, damit er sie besser betrachten konnte. »Sie mögen es, wenn man sie an den Augenwülsten krault - so...«
Der Mann beugte sich zu Tantchen Zwei herunter und streichelte sie, bis sie die Lider schloss.Tantchen Eins begann, eifersüchtig zu zetern, und pickte Menolly mit dem scharfen Schnabel in die Hand.
»Hör auf damit, du ungezogenes Biest!«
Prinzessin, Rocky und Taucher schimpften so heftig auf Tantchen Eins ein, dass sie die Flucht ergriff.
»Du willst doch nicht behaupten, dass dir die auch gehören?«, fragte der Mann verwirrt.
»Doch...«
»Dann musst du Menolly sein«, fuhr er fort, richtete sich auf und machte eine so tiefe Verbeugung vor ihr, dass sie errötete. »Lessa erzählte mir eben, dass ich zwei Eier von dem Gelege erhalte, das du entdeckt hast. Ich wünsche mir sehnlichst einen Braunen - obwohl ich natürlich gegen eine kleine Bronzeechse auch nichts einzuwenden hätte.« Er lächelte. »Und jetzt, da ich sehe, wie entzückend die Grünen aussehen...«
»Die Königin wollen Sie nicht?«
»Oh, wer wird denn gleich unbescheiden sein?« Er rieb sich die Nase und blinzelte. »Allerdings bringt es sicher Probleme, wenn mein Erster Geselle Sebell - er soll nämlich das andere Ei bekommen - ausgerechnet die Königin erwischt. Ach was...« Er winkte ab, und die Geste schien zu besagen, dass er alles dem Zufall überließ. »Sag mal, wartest du hier
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