Drachenlied
Als alles vor ihr stand, wagte Menolly nicht aufzuschauen.
»Glaubst du, dass du einen winzigen Happen für einen erschöpften alten Mann entbehren könntest?«, fragte Meister Robinton so kläglich, dass sie unwillkürlich aufschaute und lachen musste. »Ich brauche auch eine Grundlage für den Wein. Außerdem steht mir heute Abend harte Arbeit bevor.« Nun klang seine Stimme wieder sehr ernst.
Menolly beobachtete den Meisterharfner nachdenklich, während er das Brot brach und einige Scheiben Fleisch darauflegte. War irgendetwas aufBenden nicht in Ordnung? An einem Tag wie heute durfte es doch nur Glück geben...
Aber schon lächelte er wieder, aß das Fleisch, trank den Wein leer und erhob sich. Mit einer tiefen Verbeugung nahm er Abschied von Menolly.
»Aber, Meisterharfner, Ihre Echseneier...«
»Später, Menolly. Ich hole sie später ab.«
Sie schaute der hochgewachsenen Gestalt nach, bis Robinton aus dem Küchengewölbe verschwunden war, und sie
erkannte nur zu gut, dass sie es niemals wagen würde, ihn nach ihren Liedern zu fragen. Spielerei, mehr war das alles nicht - genau wie Mavi und Yanus immer gesagt hatten. Zu unbedeutend, um einen Mann wie Meisterharfner Robinton damit zu belästigen.
Prinzessin summte leise und stupste ihre Wange mit dem kleinen Kopf an. Rocky flatterte von seinem Hochsitz nahe der Gewölbedecke auf ihre Schulter. Er schmiegte sich eng an sie und versuchte, sie zu trösten.
So fand Mirrim sie und beim Anblick der Freundin erwachte Menolly aus ihrer Apathie.
»Oh, ich freue mich so für dich, Mirrim! Siehst du, nun hat sich doch alles zum Guten gewendet.« Wenn Mirrim mit ihren großen Sorgen es fertiggebracht hatte, gute Laune zu zeigen, so würde sie es doch schaffen, ihrem Beispiel zu folgen.
»Hast du alles mit angesehen? Warst du wirklich in der Brutstätte? Ich hatte solche Angst, dass ich gar nicht hinzuschauen wagte!« Jede Sorge war jetzt aus Mirrims strahlenden Zügen gewichen. »Brekke hat zum ersten Mal seit Tagen etwas gegessen. Und sie hat mich angelächelt, Menolly. Sie hat mich erkannt! Oh, es wird alles wieder gut. Auch F’nor stürzte sich über die Bratenstücke, die ich ihm brachte.« Sie lachte, nun nicht mehr ein Abbild von Felena oder Manora, sondern Mirrim, ein fröhliches, junges Mädchen. »Ich stibitzte aber auch die besten Bissen. Hoffentlich wird ihm nicht schlecht davon. Dann befahl ich ihm, sich um den armen Canth zu kümmern. Der Braune war ja schon ganz durchsichtig vor Hunger.« Sie senkte die Stimme. »Canth hat nämlich versucht, Wirenth und Prideth zu trennen. Kannst du dir das vorstellen? Ein Brauner, der eine Königin verteidigt! Und das nur, weil F’nor Brekke so liebt. Aber jetzt wird alles gut. Alle Probleme sind gelöst. Also - erzähl schon!«
»Erzählen? Was denn?«
Mirrim schaute sie ärgerlich an. »Wie sich alles abspielte, als Brekke die Brutstätte betrat. Ich sagte dir doch, dass ich nicht hinzuschauen wagte.«
Also schilderte Menolly den Verlauf der Ereignisse und beantwortete Mirrims tausend Fragen, bis sie völlig erschöpft war.
»So - und jetzt will ich von dir etwas wissen. Weshalb sehen alle so finster drein, weil dieser Jaxom den kleinen weißen Drachen für sich gewann? Er hat dem Tier doch das Leben gerettet! Der Drache wäre gestorben, wenn Jaxom ihn nicht aus dieser zähen Membran befreit hätte.«
» Was ! Jaxom hat einen Drachen für sich gewonnen? Das wusste ich gar nicht.« Mirrims Augen waren schreckgeweitet. »Wie kam dieses Kind nur auf die entsetzliche Idee!«
»Weshalb entsetzlich?«
»Weil er der zukünftige Baron von Ruatha ist. Deshalb!«
Menolly war ein wenig verärgert über Mirrims schroffe Besserwisserei und sagte das auch.
»Schau - er kann nicht Baron und Drachenreiter gleichzeitig sein. Hast du denn gar nichts auf deiner Burg am Meer gelernt? Ach, da fällt mir etwas ein! Ich habe den Harfner von der Halbkreis-Bucht gesehen. Elgion heißt er, glaube ich. Soll ich ihm sagen, dass du hier bist?«
»Nein!«
»Deshalb brauchst du mir nicht gleich den Kopf abzureißen!« Und damit wirbelte Mirrim davon.
»Menolly, kannst du mir noch einmal verzeihen? Ich hatte völlig verschwitzt, dich abzuholen.« T’gellan trat an ihren Tisch, ehe sie Atem schöpfen konnte. »Pass auf, der Bergwerksmeister soll zwei Eier bekommen. Er kann nicht lange hierbleiben, und so brauchen wir rasch einen Behälter, der die Eier im Dazwischen schützt. Nein, bleib sitzen! He, du -
komm mal her!« Er winkte
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