Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
einer Intensität, die sie beängstigte. Sie fragte sich kurz, wieso Maurynnas Name eine solche Veränderung in dem Drachenlord bewirkt hatte, dann sprudelte die Geschichte aus ihr heraus.
Sie hatte kaum zu Ende gesprochen, als Kief Shaeldar vom Pferd sprang. Er drehte sich um, als wollte er in die Lichtung hinter der Anlegestelle rennen, dann hielt er inne.
»Verflucht, verflucht, verflucht!« schimpfte er. »Nicht genug Platz für eine Verwandlung. Fährmänner, bringt mich auf die andere Seite!«
»Wie Ihr wünscht, Drachenlord. Aber wir müssen uns beeilen. Das Wasser steigt schnell. Euer Pferd müßt Ihr hierlassen; es ist zu schwer.«
Mit der Geschwindigkeit einer zuschnappenden Schlange packte er Maylin und setzte sie auf das Pferd. Zu überrascht, um zu protestieren, fing Maylin die Zügel auf, die er ihr zuwarf. Bevor sie etwas sagen konnte, sprang er auf die Fähre. Sie legte sofort ab. Aus der Dunkelheit erklang Kief Shaeldars Stimme: »Ich hoffe, du kannst reiten, Mädchen! Folge einfach dem Kaltfeuer.«
Verblüfft nickte Maylin und vergaß für einen Moment, daß er sie unmöglich sehen konnte. Oder konnte er doch? In den Legenden hieß es, DrachenlordAugen seien schärfer als die eines Echtmenschen.
Sie schaute zu dem langsam in der Luft rotierenden Kaltfeuer und schluckte. »Dann übernimm die Führung, Lichtball«, sagte sie.
Gehorsam schwebte das Kaltfeuer zur Straße. Maylin wendete das Pferd und ritt hinterher. Es schien ein gutmütiges, wohlerzogenes Tier zu sein. Sie hoffte, daß es sich nicht von den Steigbügeln, die gegen seinen Bauch schlugen, stören ließ. Verglichen mit Linden Rathan, war Kief Shaeldar zwar deutlich kleiner, hatte aber trotzdem längere Beine als sie.
Doch das Pferd schien die Steigbügel nicht zu bemerken. Ihrer Mission und dem damit verbundenen Gefühl der Dringlichkeit entledigt, merkte Maylin plötzlich, daß sie bis auf die Knochen durchnäßt war und vor Kälte zitterte. Regen lief ihren Nacken hinunter. Bibbernd zog sie die Schultern hoch. Die Dunkelheit um sie herum war undurchdringlich. Einzig das Kaltfeuer schien frohgelaunt zu sein, während es wenige Meter vor ihr durch die Nacht schwebte.
Am liebsten hätte sie dem Kaltfeuer einen Tritt versetzt. In einer Nacht wie dieser mit all den schrecklichen Ereignissen sollte nichts und niemand frohgelaunt sein.
Maylin war halb eingeschlafen und schwankte im Sattel hin und her, als ihr klar wurde, daß das, was sie für Donner gehalten hatte, in Wirklichkeit klappernde Pferdehufe auf der Straße waren. Anfangs glaubte sie, daß die näherkommenden Reiter Fackeln trugen, und sie fragte sich, wieso sie bei dem Regen nicht erloschen. Dann erkannte sie, daß die »Fackeln« weitere Kaltfeuer waren. Ihr eigenes schwebte voraus und eilte den Ankömmlingen entgegen.
Einer der Reiter hielt vor ihr an. Die anderen bildeten einen Kreis um sie.
Sie schaute in die schimmernden blauen Augen von Tarina Aurianne. Auf einen Wink des Drachenlords legte einer der anderen Reiter Maylin einen Umhang um die Schultern. Dankbar schmiegte sie sich in den pelzgefütterten Stoff. Ein anderer Reiter reichte ihr einen Weinschlauch. Sie trank einen Schluck, gleichermaßen vom heißen würzigen Wein wie vom Umhang erwärmt.
Als Maylin den Weinschlauch zurückgab, beugte sich Tarina Aurianne vor und musterte sie. Maylin rutschte unbehaglich auf dem Sattel herum. Zu oft schon war sie wegen ihrer zweifarbigen Augen, die sie mit Maurynna gemein hatte, gehänselt worden.
Aber Tarina Aurianne lächelte nur und murmelte: »Ja, du bist eine Angehörige. Du hast das … gewisse Aussehen.«
Verwirrt sagte Maylin: »Ahm – bis auf die Augen sehe ich Maurynna eigentlich nicht ähnlich.«
Tarinas Mund verzog sich zu einem Lächeln. »Die, die sehen können, sehen es.« Sie klang amüsiert. »Du hast heute abend eine Menge für uns getan. Das mindeste, was wir dir anbieten können, ist ein warmes Bett und trockene Kleider. Folge uns.«
Das Kaltfeuer glomm nur noch schwach. Ohne auf die Tränen und Regentropfen zu achten, die über ihre Wangen liefen, wischte Maurynna das Blut aus Lindens Gesicht. Während des letzten Krampfes – dem schlimmsten bisher – hatte er sich in die Lippe gebissen. Weil sie befürchtete, daß er sich beim nächsten Mal die Zunge abbeißen würde, riß sie einen breiten Streifen von ihrem Umhang und schob ihm den Stoffetzen zwischen die Zähne.
Das Klappern von Pferdehufen schreckte sie auf. Die Männer, die Linden
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