Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
schmalen Schlitzen, die Lider hoben sich, blinzelten, dann fielen sie wieder zu. Endlich schaffte er es, die Augen offenzuhalten, und starrte sie an.
»Linden?« flüsterte sie. »Ich bin’s, Maurynna.«
Sein leerer Blick brach ihr fast das Herz. Dann schien er sie zu erkennen und flüsterte etwas, das sie nicht verstand.
»Was? Was hast du gesagt?« fragte Maurynna.
Wieder flüsterte er. Sie beugte sich über ihn, um ihn besser verstehen zu können, doch alles, was sie vernahm, war: »Fragen. Fragen … gestellt.« Dann sackte er gegen ihre Schulter. Die Vertrautheit der Geste ließ sie vergessen, wie kalt ihr war und wie schrecklich sie sich fühlte.
Im nächsten Augenblick riß ihn ein Krampf beinahe aus ihren Armen, und sein Atem wurde wieder flach und unregelmäßig. Zu Maurynnas Erleichterung ebbte der Anfall jedoch ebenso schnell ab, wie er gekommen war.
Sie zog die runtergerutschten Umhänge zurecht, besorgt, weil er plötzlich wieder kälter zu werden schien. Dann nahm sie ihn wieder in die Arme und fragte sich, ob Maylin schon den Fluß überquert hatte.
Danach muß sie noch immer das Anwesen finden, wo sich die anderen Drachenlords aufhalten. Hoffentlich verläuft sie sich nicht.
Der Gedanke, daß Maylin nicht zurückkommen könnte, war so beängstigend, daß sie sich ermahnte, sich nicht unnötig verrückt zu machen. Maylin würde sie nicht im Stich lassen. Sie mußte einfach nur Geduld haben. Ein plötzlicher Blitz am Himmel und der nachfolgende Donnerschlag schienen sie zu verhöhnen.
Nach dem dritten Schüttelkrampf kannte Maurynna die vorausgehenden Anzeichen: ein kurzes Luftschnappen, gefolgt vom Versteifen der Muskeln. Dann das markerschütternde Zittern und das verzweifelte Ringen nach Luft.
Ihre Arme wurden immer schwerer; viel länger konnte sie Linden nicht stützen. Und die Krämpfe kamen in immer kürzeren Abständen. Maurynna schob wieder eine Hand unter Lindens Tunika. Sie war keine Heilerin, doch der holpernde, immer wieder aussetzende Herzschlag versetzte sie in Angst und Schrecken.
Und Maylin mußte noch die Drachenlords finden.
Götter – bitte helft uns!
Ein riesiger Blitz zerriß die Dunkelheit. Maylin schrie überrascht auf. Im plötzlich taghellen Licht sah sie, daß das gegenüberliegende Ufer nicht mehr weit entfernt war. Und daß ein Reiter an der Anlegestelle wartete.
Sie kniff die Lippen zusammen. Wer immer der Diener sein mochte – es mußte ein Diener sein; kein Adliger würde bei diesem Wetter sein trockenes Heim verlassen –, seine ursprünglichen Pläne konnte er vergessen. Sie hatte Wichtigeres für ihn zu tun. Sie hoffte nur, daß sie nicht wertvolle Zeit verlieren würde, falls sie erst mit ihm herumstreiten mußte.
Die Anlegestelle war nur noch wenige Meter entfernt. Sie stand auf. Als der Bug an den Steg stieß, sprang sie von der Fähre.
»Du!« rief sie. »Nimm mich auf dein Pferd! Ich muß die Drachenlords finden!«
Die in einen Umhang gehüllte Gestalt rührte sich nicht.
Wütend stieß Maylin einen Fuß auf den Boden. »Bist du taub oder was? Beeil dich!« Sie sah zu der Gestalt hoch und fragte sich, ob sie sie aus dem Sattel stoßen und das Pferd nehmen sollte. Unmöglich; sie war zu klein. Sie würde die Gestalt überreden müssen. »Hör mir zu, du Narr!«
»Ich höre«, sagte der Reiter gelassen. »Und wenn du tatsächlich die Drachenlords suchst …«
Er zog die Kapuze zurück und ließ mit derselben sechsfingrigen Hand ein Kaltfeuer in der Luft aufleuchten. Er beugte sich zu ihr hinunter.
»… dann hast du einen gefunden«, sagte Kief Shaeldar. »So, nun erzähle. Was ist passiert?«
47. KAPITEL
Maylin starrte mit offenem Mund zu Kief Shaeldar hoch. Bevor sie die Fassung zurückgewann, nahm er das Kaltfeuer hinunter und leuchtete ihr damit ins Gesicht.
»Ich kenne dich«, sagte er. »Du bist die mit dem kleinen Mädchen, das Linden jeden Morgen zuwinkt.« Dann fragte er schärfer: »Also, was ist passiert? Beeil dich, Kind, ich muß über den Fluß.«
Stirnrunzelnd sah er zum Uildodd. Es war ihm deutlich anzumerken, daß er die Verzögerung mißbilligte.
Ein weiterer Blitz und das anschließende Donnergrollen gaben Maylin einige Augenblicke, um die richtigen Worte zu finden. Sie sagte: »Meine Cousine kennt Linden Rathan. Sie wußte, daß etwas nicht stimmte. Ich weiß nicht wie, aber …«
Er fiel ihr ins Wort. »Deine Cousine? Maurynna? «
Maylin nickte. Plötzlich war sein gesamtes Wesen auf sie konzentriert, in
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