Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
so eng und geschmeidig an ihn, daß es schien, als wären ihre Körper eigens füreinander modelliert worden, während sie zusahen, wie Otter ihnen Wein einschenkte.
Als jeder einen Kelch in der Hand hielt, hob Linden den seinen und sagte: »Auf ein baldiges Wiedersehen.«
Sie tranken.
Otter hob seinen Kelch zu einem weiteren Trinkspruch, ein schelmisches Blitzen im Blick. »Auf euer gemeinsames Glück: Linden, Maurynna, Rathan …« Er lächelte, während seine Stimme verklang und er einen Schluck trank.
Lachend folgte Linden Otters Beispiel, ebenso die verwirrt dreinschauende Maurynna. Linden fragte sich, welchen Namen wohl die vierte im Bunde tragen würde. Er würde es erst nach Maurynnas Erster Verwandlung wissen.
Maurynna sah ihn an und fragte: »Wieso habt du und Rathan verschiedene Namen? Seid ihr nicht ein und derselbe?«
Linden schüttelte den Kopf. »Nein. Wir sind zwei verschiedene Wesen, die denselben Körper teilen, und dieser Körper kann zwischen zwei äußeren Gestalten hin und her wechseln. Ich habe meine eigene Theorie, warum die Drachenhälfte meist schlummert und sich nur gelegentlich bemerkbar macht; aber so ist es, bis die menschliche Hälfte ihres Daseins müde wird. Bei einigen Drachenlords geschieht das schon in jungen Jahren. Es ist nicht leicht, wenn jeder gestorben ist, den man als Echtmensch gekannt und geliebt hat. Andere Drachenlords sind weniger sentimental oder einfach sturer. Wie auch immer, wenn ich meines Daseins überdrüssig bin, werde ich aufhören zu existieren, und aus Rathan wird ein voll entwickelter Echtdrache.«
Maurynna sagte: »Du meinst, du wirst …« Sie nahm seine Hand, die er auf ihre gelegt hatte. Im Schein des Kaltfeuers war ihr Gesicht kreidebleich.
»… sterben wie jeder gewöhnliche Echtmensch. Ich werde einfach Hunderte von Jahren länger gelebt haben. Aber das alles liegt noch in weiter, weiter Ferne, Liebste.« Wie könnte ich meines Daseins jemals überdrüssig werden, solange ich dich an meiner Seite habe?
Ihre Finger umschlossen seine. »Versprochen?«
»Versprochen«, sagte er.
Müde, aber zufrieden eilte Eel durch Casnas verwinkelte Gassen, erpicht darauf, schnellstmöglich zu der kleinen Hütte an den Docks zu gelangen, die sein Zuhause war. Er hatte heute abend so fette Beute gemacht, daß er erwog, sich am nächsten Tag freizunehmen. Immerhin war morgen Sonnenwende. Ah, er würde es sich nach dem Aufstehen überlegen. Die Nacht verging schnell; im Osten wurde es schon hell. Höchste Zeit, sich schlafen zu legen.
Als er um eine Ecke bog, kam ihm Mutter Sossie entgegen, eine Zuhälterin, die ihre Prostituierten zu dem verlassenen Gebäude brachte, das ihnen Unterschlupf bot. Die Jungen und Mädchen – die meisten waren um die zwölf oder dreizehn, einige jünger, niemand älter als zweiundzwanzig, wie Eel wußte – folgten ihr wie verschlafene Küken ihrer Henne.
»Hallo, Eel«, rief Mutter Sossie. »Warte mal.«
Eel kniff die Lippen zusammen. Mutter Sossie bediente eine bestimmte Klientel, die ihm nicht sonderlich gefiel. Selbst ihre ältesten Huren waren fast noch Kinder. Sie schickte sie fort, sobald sie zu »alt« aussahen.
Trotzdem, es wäre dumm, sich einen Feind zu machen. Sossie konnte eine giftspeiende Hexe sein. Er blieb stehen. »Hallo, Mutter Sossie. Was gibt’s?«
»Hast du Nobbie gesehen? Der faule Hund ist nirgends zu finden. Wenn er sich aus’m Staub gemacht hat, werde ich ihm den Hintern aufreißen – falls ich ihn jemals wiedersehe. Ist schon der dritte diesen Monat.« Mutter Sossie spuckte auf den Boden, beleidigt ob solcher Undankbarkeit.
Eel kratzte sich am Kopf. »Ich habe ihn gesehen, ist aber schon ’ne Weile her – es war noch stockduster. Inzwischen müßte er längst fertig sein. Du sagst, er sei nicht der erste?«
»Nein. Seit ungefähr einem Monat verschwinden immer wieder welche – ab und zu ein Mädchen, aber hauptsächlich Jungs; meine und auch die von anderen. Bah, Nobbie hat mir sowieso immer nur Ärger gemacht. Kleiner Dreckskerl.« Sie ging weiter, ihre Herde vor sich hertreibend.
Nachdenklich setzte Eel seinen Heimweg fort und ließ sich Mutter Sossies Geschichte durch den Kopf gehen. Wenn er es sich genau überlegte, hatte er in den vergangenen Wochen tatsächlich von ein oder zwei Huren gehört, die ihren Zuhältern weggelaufen waren, hatte den Geschichten aber keine große Bedeutung beigemessen.
Normalerweise verschwanden nur wenige im ganzen Jahr. Und nun dieselbe Anzahl innerhalb
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