Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
alle Wein einschenkte. »Warum zeigst du ihr nicht den Garten, Linden? Ich bleibe hier und spiele ein bißchen für euch.«
Sie hätte ihm beinahe einen Kuß aufgedrückt. Ihre Trübsal verflog. Sie hatte mit Linden unbedingt allein sein wollen – und nun machte Otter ihr dieses Geschenk.
Linden zeigte ihr die Rosenbeete und viele weitere, aus Zierbüschen geschnittene »Tiere«, als er sie immer tiefer in den Garten führte. Plötzlich, als aus der Feme die ersten Töne von Otters Harfe erklangen, blieb er mit einem entrückten Ausdruck auf dem Gesicht stehen.
»Was ist los?« fragte sie.
»Nichts.« Er zögerte und sagte dann: »Das Lied habe ich Otter vor fast vierzig Jahren beigebracht. Es war schon uralt, als ich noch jung war. Rani hat es im Traum von … Satha gelernt.«
Seine Stimme stockte, und Maurynna fiel Otters Warnung ein, Linden niemals nach dem untoten kelnethischen Harfner zu fragen. Doch Linden sprach weiter, als wäre nichts gewesen. »Bram hat den Text für sie geschrieben, als ihnen klar wurde, daß sie sich trennen mußten.«
Er wurde still. Maurynna schauderte – trotz der abendlichen Wärme. Sollte das Lied eine Warnung sein? Bevor sie etwas sagen konnte, legte er einen Arm um ihre Schultern und ging engumschlungen mit ihr weiter.
»Für uns ist es zum Glück nur ein trauriges, aber schönes Lied. Ich habe Bram bei dem Text geholfen«, gestand er schüchtern. »Nicht viel, nur ein bißchen.«
»Aber du hast ihm geholfen«, sagte Maurynna. Ihr Arm schlang sich um seine Taille. Beruhigt legte sie den Kopf an seine Schulter. Der Gedanke, ihn zu verlassen, erfüllte sie noch immer mit Trauer, aber sie befürchtete nicht mehr, ihn nie wiederzusehen.
Sie gingen weiter, und für Maurynna hörte die Zeit auf zu existieren. Sie fühlte sich wie in einem Traum.
Nachdem sie eine Weile schweigend durch den mondbeschienenen Garten spaziert waren, sagte Linden: »Komm, wir legen uns hin«, und ließ sich im Gras nieder.
Sie legte sich zu ihm. Eine Weile lauschten sie Otters Harfenspiel. Wieder schmiegte sie den Kopf an Lindens Schulter, während er ihr zärtlich über die Haare strich. Dann zog er sie an sich und küßte sie, bis er sie Minuten später wieder losließ.
Sie setzte sich auf und musterte ihn. »Linden, ich – ich möchte nicht abreisen.«
»Ich möchte auch nicht, daß du abreist, Maurynna, aber es ist am sichersten. Otter sagte, dein Frachtraum sei seit drei Tagen voll. Du hättest sofort aufbrechen sollen. Warum hast du gewartet?« fragte er.
Sie lächelte. »Meine Tante bat mich zu bleiben. Der Tag der Sonnenwende ist mein Geburtstag, und ich habe ihn nie mit meinen Verwandten in Casna gefeiert. Deswegen veranstalten wir am Nachmittag ein kleines Fest, und abends werde ich mit Einsetzen der Ebbe in See stechen.«
»Dein Geburtstag – dieser hinterhältige Barde! Er hat es mir verschwiegen!« Linden setzte sich auf und brummte etwas in einer Sprache, die sie nicht kannte, dann legte er sich wieder ins Gras. »Verflucht, ich wünschte, ich würde es nicht wissen.«
Lachend schmiegte sie sich an seine Seite. »Wenigstens hat er nicht wahr gemacht, was er mir an Bord der Seenebel angedroht hat.«
»Und was war das?«
»Mich bis zu meinem Geburtstag warten zu lassen, bis er mich dir vorstellt.«
Linden rollte auf die Seite und sah auf sie hinunter. »Ich hätte ihm dafür den Kopf abgerissen.«
Sie streichelte sein Gesicht. Er lächelte ein wenig traurig. »Wir haben kaum noch Zeit, geliebte Maurynna.«
»Dann laß sie uns nicht vergeuden«, sagte sie und zog ihn zu sich hinunter.
Es war eine ruhige Nacht, die Luft schwer vom nahenden Regen, als Kas Althume durch die Flure von Prinz Peridaens Residenz schritt. Er fürchtete nicht, daß das jemand eigenartig finden könnte. Kümmerte sich Peridaens ergebener Großhofmeister nicht oft bis spät in die Nacht um die Angelegenheiten seines Herrn? Und genau das tat er – gewissermaßen. Kas Althume hob eine Hand und ließ das Amethyst-Amulett an seiner Goldkette hin und her baumeln. Zeit, das schöne Stück an seinen angestammten Platz auf Peridaens Ankleidekommode zurückzulegen, nachdem er mit dem Amulett nun fertig war. Danach warteten weitere Angelegenheiten, die er in dieser Nacht zu erledigen hatte.
In einem weniger begüterten Viertel Casnas hielt sich Eel im Schatten versteckt und beobachtete sein Opfer – einen gutgekleideten Mann mit eckigem Gesicht –, doch nun sprach der Mann mit Nobbie, einem der vielen
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