Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
»Du mußt jetzt von Bord.«
Irgendwie kam sie vom Stuhl hoch. Ihre Beine zitterten wie bei einer Landratte, die gerade ihren ersten Sturm erlebt. Sie legte die Brosche in die Schatulle zurück und schob Otter aufs Deck hinaus. Er blieb stehen, einen Fuß auf der Laufplanke.
»Rynna – vergiß nicht, was ich dir gesagt habe: Was momentan mit dir geschieht, geschieht nur, weil du und Linden euch so nahesteht. Er meinte, es müßte bald aufhören«, sagte Otter. »Bitte, vergiß das nicht.«
»In Ordnung, ich verspreche es dir«, meinte sie abwesend. Sie war noch immer fassungslos über ihr Geschenk. Sie fühlte sich wie ein im Sturm hin und her geworfenes Schiff, dessen Ankertaue gerissen waren. »Geh schon.«
Gehorsam trottete der Barde die Laufplanke hinunter. Er sah aus wie ein Schlafwandler. Als er sich umdrehte, um zum Abschied zu winken, war sein Gesicht kreidebleich. Sie nahm an, daß sie nicht anders aussah.
Während die Strömung des Uildodd das Schiff zum offenen Meer hinaustrug, trat Remon zu ihr heran.
»Käpt’n, ich möchte nicht respektlos sein, aber Ihr solltet Euch hinlegen. Ihr seht genauso schlimm aus wie der Barde nach dem Sturm damals. Es hat doch kein Unglück in Eurer Familie gegeben, oder?« fragte der Erste Maat besorgt.
Maurynna sagte: »Nein, kein Unglück, Remon, im Gegenteil. Aber ich denke, ich werde für eine Weile in meine Kajüte gehen. Übernehmt bitte das Kommando.«
Als sie zu ihrer Kajüte ging, spürte sie die Blicke ihrer Mannschaft im Rücken. Drinnen hielt sie die Brosche in das Sonnenlicht, das durch die Heckfenster hereinfiel. Die Füchsin lachte sie an.
Ich verstehe es nicht. Wieso schenkt er mir das? Was hat das zu bedeuten? Er sagte, er könne niemals einen Echtmenschen lieben, das kann es also nicht sein.
Eel folgte dem Mann mit dem eckigen Gesicht. Einige Male verlor er ihn aus den Augen, entdeckte ihn aber jedesmal wieder. Als der Mann in einen der öffentlichen Ställe ging, verzweifelte der Dieb beinahe. Aber als der Mann herausritt, merkte Eel, daß seine Aufgabe tatsächlich leichter geworden war. Wegen der vielen Leute kam das Pferd nur langsam voran, und nun, wo der Mann alle anderen weit überragte, hatte Eel keine Schwierigkeiten, ihn im Blick zu behalten.
Als der Mann an der Grenze zum Händlerviertel einen anderen Reiter traf, duckte Eel sich hastig in einen Hauseingang. Er musterte den zweiten Mann; hager, mit einem asketischen, beinahe eingefallenen Gesicht. Er trug irgendeinen Anhänger, dessen auffälliges Rot und Purpur in scharfem Kontrast zu seinen nüchternen graugrünen Kleidern stand.
Er beobachtete, wie die beiden Männer in Richtung des Adligenviertels der Stadt ritten. Damit endete seine Verfolgungsjagd. Eel wußte, daß er im Viertel der Reichen auffallen würde wie eine Gans im Hühnerstall. Nachdenklich kaute er auf seiner Unterlippe.
Zu seinem Bedauern war Otter nicht imstande, Lindens Geist zu erreichen. Da Linden nicht weit entfernt war, mußte irgend etwas seine ganze Aufmerksamkeit beanspruchen.
Verdammt, Jungchen, dachte der Barde verärgert, während er zum Haus der Vanadins zurückritt, ich weiß ja, daß sie heute Geburtstag hat, aber hättest du mit dem Geschenk nicht bis zu ihrer Ersten Verwandlung warten können? Was, wenn sie es errät?
Einer der Lehrlinge ließ ihn ins Haus und verschwand sogleich im Arbeitszimmer. Otter ging durch den Flur in den hinteren Teil des Hauses und betrat die Küche.
Maylin saß am Tisch und hielt einen dampfenden Becher in den Händen. »Tee, Otter?« fragte sie. »Du siehst aus, als könntest du einen gebrauchen. Stimmt etwas nicht? Maurynna ist doch in See gestochen, oder?«
Otter schüttelte den Kopf. »Nein, alles in Ordnung. Glaube ich zumindest. Maurynna ist jedenfalls unterwegs nach Pelnar. Es ist bloß … Ich glaube, ich genehmige mir lieber einen Krug vom selbstgebrauten Schwarzbier deiner Mutter, wenn ich darf.«
Maylin zog die Augenbrauen hoch, stellte aber ihren Tee ab und ging in die Speisekammer. Sie kam mit einem randvoll gefüllten Bierkrug zurück und stellte ihn wortlos vor ihm ab.
Er trank den Krug in einem Zug leer, bevor sie anfing, ihn auszufragen. Er versuchte sie mit unwichtigen Einzelheiten abzulenken, wußte aber, daß es vergebliche Mühe war. »Wolltest du nicht auf ein Fest?«
Maylin lächelte bloß und sagte: »Ich wollte sowieso ein bißchen später hingehen. Du kannst es mir ruhig sagen, Otter. Ansonsten lasse ich dir keine Ruhe, glaub
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