Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
von den sonnenerwärmten Wasserwegen auf und schützte die empfindlichen Knollenpflanzen vor der Kälte. Wie immer fand Varn es unheimlich, zu sehen, wie seine Nachbarn durch den Nebel huschten und – mal in Dunst gehüllt, dann wieder gut sichtbar – wie Gespenster von einer Feldinsel zur nächsten sprangen.
»Es muß dir ziemlich ruhig vorkommen, wo Linden jetzt weg ist«, sagte Chailen.
»Stimmt. Und die Zwillinge vermissen die Kissenschlachten.« Varn grinste und fuhr fort. »Für dich gilt wahrscheinlich genau das Gegenteil, was?«
Chailen setzte eine verdrossene Miene auf. »Sehr lustig. Aber du hast recht, in den Ställen ist es alles andere als ruhig. Seitdem Linden fort ist, führt Shan sich wie ein Berserker auf. Und ein Hengst seiner Größe, der fest entschlossen ist, einem das Leben schwerzumachen … Warum können Drachenlords keine normalen Pferde reiten?« lamentierte er. »Warum müssen es unbedingt Llysanyaner sein? Diese verdammten Biester sind einfach zu gerissen.«
Varn lachte, als sie den Innenhof erreichten. »Ich helfe dir mit den Türen.«
»Danke, die klemmen oft.«
Wortlos überquerten sie den gepflasterten Innenhof der Stallungen. Das einzige Geräusch war das Klacken ihrer Stiefel auf den Steinen. Als sie am Stall ankamen, wartete Varn, während Chailen die Türriegel zurückschob. Er konnte das gedämpfte Scharren und Schnauben der Pferde und Llysanyaner hören. Gähnend packte er den Eisenring am linken Türflügel. Chailen griff nach dem rechten.
»Fertig?« fragte Chailen. »Zieh!«
Die Gelenkbolzen klemmten, doch schließlich schwangen die schweren Türen knarrend auf. Keuchend sagte Chailen: »Ich vergesse ständig, dem Schmied zu sagen, daß …«
Ein lautes Wiehern übertönte ihn, als sich etwas Schweres von innen gegen die Türen warf. Die Kir stürzten zu Boden.
Varn hob gerade rechtzeitig den Kopf, um noch ein großes schwarzes Wesen vorbeijagen und vom Innenhof verschwinden zu sehen. Das Klappern der Hufe verklang auf der Straße.
Hinter dem anderen Türflügel erklang eine bittere Stimme: »Llysanyaner. Warum, bei allen Göttern, müssen sie bloß diese elenden Llysanyaner reiten?«
Varn, der seinen wackligen Beinen noch nicht so recht traute, kroch zu der Stelle, wo der Stallmeister am Boden lag. Chailen setzte sich auf und klopfte sich den Staub von den Kleidern.
»Bist du verletzt?« fragte Varn.
»Nur in meiner Ehre«, sagte Chailen. »Man sollte mich zum Stallburschen degradieren. Er war gestern abend zu folgsam. Ich hätte wissen müssen, daß er etwas ausheckt.«
»Das war Shan, oder?«
»Wer sonst?« Dann, mit einem listigen Glanz in den Augen, der nicht zu seinem unschuldigen Blick paßte, sagte Chailen: »Mann, was wird sich Linden freuen.«
Beide Kir fielen lachend auf den Hosenboden zurück.
Die drei Drachenlords ritten gemeinsam mit ihrer Eskorte die breite Prachtstraße zum Palast hinunter. Bereits zu dieser frühen Morgenstunde lag die Hitze wie ein bleiernes Tuch über der Stadt. Linden seufzte und nestelte an seinem schweren Amtsgewand herum. Es war furchtbar, an einem so heißen Tag derart schwere Kleider tragen zu müssen.
Vielleicht konnte er sein zweites Gewand irgendwie verschwinden lassen. Dann konnte er an jedem zweiten Tag normale Kleider tragen, während das Gewand und die Hose gewaschen und zum Trocknen aufgehängt wurden. Es war ein netter Traum, denn seine Herrin würde seinen Kopf wollen, falls er ihn wahr machte. Neiranalische Bergseide war schrecklich teuer.
Ich habe über diese Steinsäulen nachgedacht, die Ihr gestern entdeckt habt, sagte Kiefs Geiststimme. Tarina und ich stammen aus dem Norden Cassoris. Ich habe das Monument nie gesehen. Wir könnten es uns anschauen, sobald dies hier vorüber ist. Was meinst du, meine Liebe? Er musterte seine Seelengefährtin von der Seite.
Ich würde es gerne sehen, sagte sie, aber nur in Begleitung einer vollen Eskorte.
Sie warf Linden einen strafenden Blick zu. Er zuckte mit den Schultern. Sie fuhr fort: Ich frage mich, wer es gebaut hat und warum, und ob es noch weitere gibt.
Linden sagte: Warum fragen wir nicht einfach? »Hauptmann Jerrel«, sagte er laut. »Ich habe gestern bei meinem Ausritt an der Küste ein Monument aus kreisförmig angeordneten Steinsäulen entdeckt. Wißt Ihr etwas darüber?«
Obgleich Jerrel überrascht aussah – Linden konnte es ihm nachfühlen; die Frage war aus heiterem Himmel gekommen –, antwortete er: »Nur wenig, Euer Gnaden. Niemand weiß,
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