Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
bis dahin … statt dessen vielleicht eine Woche Krähennest.«
»Denke nicht mal dran, meine schreckliche Seemöwe.« Otter wurde ernst. Er sagte: »Rynna, falls ich es vergesse, wenn es soweit ist – ich weiß, wie gerne du Linden über seine Zeit mit Bram und Rani befragen möchtest, aber ganz gleich, was du tust, frage ihn nicht nach Satha. Er hat noch immer – ah, lasse es einfach. Wenn er von sich aus damit anfängt, meinetwegen. Aber frage ihn nicht.«
Erstaunt wegen des plötzlichen Themenwechsels, fragte Maurynna: »Warum nicht?«
»Ich weiß nicht, ob ich es dir sagen soll.« Der Barde fuhr sich mit einer Hand durch die eisengrauen Haare. »Ach, was soll’s du kannst es ruhig wissen.
Rani erweckte Satha nach ein oder zwei Jahrhunderten aus einem Zauberschlaf. Doch in seiner Zeit hatte Satha Feinde gehabt. Bram und Rani nahmen an, daß sich jemand an ihn herangemacht und ihm die Kehle aufgeschlitzt hatte, bevor sich die volle Schutzwirkung des Zaubers entfalten konnte. Aber der Zauber war so stark, daß Sathas Seele trotz der tödlichen Verwundung an seinen Körper gefesselt blieb – und sein Körper begann natürlich allmählich zu verwesen. Als Satha schließlich erweckt wurde, entsetzte sein Anblick selbst die furchtlosesten Krieger. Vielleicht kannst du dir vorstellen, wie er auf einen sechzehnjährigen Jungen gewirkt haben muß, der niemals die Burg seines Vaters verlassen hatte, bis er von zu Hause fortrannte, um sich Bram und Rani anzuschließen.
Dann wurde Linden eines Tages von einem Schwertstreich getroffen, der Rani gegolten hatte. Die Verwundung hätte ihn getötet, wäre Satha nicht zur Stelle gewesen. Dazu mußt du wissen, daß Satha, als er noch wirklich lebendig gewesen war, sowohl Heiler als auch Harfner war. Du weißt ja, wie sehr ein Heilritual schmerzt, selbst bei einem erfahrenen Heiler. Satha«, endete Otter, »ging nicht behutsam mit Linden um.«
Trotz des Sonnenscheins lief Maurynna ein Schauer über den Rücken. »Ich hatte immer gedacht, daß Satha untot war, sei …«
»Das Hirngespinst eines Barden? Leider nicht. Es ist wahr.«
Otter starrte aufs Wasser hinaus. Maurynna musterte ihn und fand, daß er vom Sturm noch immer blaß und erschöpft aussah.
Er führ fort: »Es gab einmal eine Zeit, da begleitete Linden mich auf meinen Sangesreisen. Ich mußte ihn oft mit irgendwelchen Gegenständen bewerfen, um ihn aus einem Alptraum aufzuwecken. Beim ersten Mal hatte ich herausgefunden«, er drehte sich wieder zu ihr, und nun lag ein nervöses Flackern in seinem Blick, »daß man einen Drachenlord nicht wachrütteln sollte.« Er machte eine Handbewegung, die einen durch die Luft segelnden Menschen darstellen sollte. »Linden ist unglaublich stark.«
Maurynna mußte bei der Vorstellung lächeln.
Die Seenebel hatte die Docks nun fast erreicht, und Maurynna ging auf die Brücke, um das Anlegemanöver zu überwachen.
Die letzten Segel wurden eingeholt, und der Schiffsrumpf stieß gegen den Landungssteg. Die Seemänner warfen den wartenden Dockarbeitern die Taue zu. Es waren weniger Arbeiter da als gewöhnlich. Maurynna fragte sich, ob es Ärger mit der Hafengilde gab. Sie runzelte die Stirn. Der assantikkanische Wein mußte so schnell wie möglich ins Lagerhaus. Wenn er zu lange in der heißen Sonne stand, würde er sauer werden.
Otter riß sie aus ihren Gedanken: »Ich habe noch nie einen Hafen mit so wenig Arbeitern gesehen.« Er blinzelte in die Nachmittagssonne. »Gehen wir jetzt zu deinem Onkel?«
Maurynna seufzte lächelnd. »Otter, bring mich nicht in Versuchung. Du weißt genau, daß ich hierbleiben muß, bis der Wein entladen ist.« Otters halbherziges Angebot, ihr zur Seite zu stehen, lehnte Maurynna ab. »Nein. Aber es wäre schön, wenn du schon vorgehen und die Familie von unserer Ankunft unterrichten würdest.«
So weiß ich wenigstens, daß du ein wenig Ruhe bekommst. Tante Elenna wird dich anschauen und dich sofort ins Bett verfrachten. Viel Spaß, falls du versuchst, ihr zu widersprechen!
Otter versuchte vergeblich, nicht erleichtert auszusehen.
Maurynna zog die goldene Spange von ihrem rechten Handgelenk. »Hier, nimm das als Beweis; sie kennen dich nicht. Nimm dir eine Kutsche und sag dem Fahrer, daß er dich zu Owin und Elenna Vanadins Haus bringen soll. Es liegt in einer kleinen Straße hinter der Krämergasse. Sag ihnen, sie sollen mit dem Abendbrot und einem Bad auf mich warten.«
»Mach ich«, sagte Otter. Er schob die Spange in seine
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