Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
Gürteltasche. »Keine Sorge, ich passe gut darauf auf.«
»Danke«, sagte Maurynna. »Wir sehen uns später im Haus.«
Otter ging die Laufplanke hinunter. Maurynna entdeckte eine Dockarbeiterin, die sie kannte. »Jebby, wo sind alle? Wieso sind so wenige Arbeiter hier?«
Obwohl sie für cassorische Verhältnisse groß war, reichte die stämmige Vorarbeiterin des Löschtrupps Maurynna kaum bis an die Schultern. Jebby schüttelte den Kopf, ihr sonnengegerbtes Gesicht schweißüberströmt, und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »An allen Docks sind zuwenig Arbeiter, Käpt’n. Ständig laufen neue Handelsschiffe ein. Scheinbar gehen die Kaufleute davon aus, daß zwischen Sonnenwende und den Ratssitzungen alles nach Casna strömt. Und sie haben recht. Die Stadt platzt aus allen Nähten. In den Tavernen ist nicht mal mehr Platz, um den Ellbogen zu heben.«
Jebby nestelte an ihrer Gürteltasche herum und zog ein Stofftuch heraus. Sie band es sich um die Stirn. »Ich mache mich besser an die Arbeit.« Sie stapfte davon und rief: »Na los, ihr faulen Ratten! Bewegt eure lahmen Ärsche!«
Maurynna sah reumütig an sich hinunter. Ihre zweitbeste Tunika und eine gute Hose – nein, sie wollte die Sachen nicht ruinieren. Und sie sollte die zweite Spange besser abnehmen, sonst würde sie damit irgendwo hängenbleiben. Sie nahm ihre Haarnadeln aus der Gürteltasche. Während sie ihre langen Haare zu einem Dutt zusammenraffte und die Nadeln hineinschob, rief sie: »Gib mir ein paar Minuten, um mich umzuziehen, Jebby, dann komme ich euch helfen.«
Sie wandte sich um und ging zu ihrer Kajüte.
Die Ratssitzung war beinahe vorüber, als Linden ein Kitzeln im Hinterkopf spürte. Einen Augenblick fragte er sich, was es wohl sein mochte, dann erkannte er es: das Gefühl eines echtmenschlichen Geistes, der versuchte, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Und er kannte nur einen Geist, der dafür in Frage kam. Er brachte Tarina, die ihm gerade etwas sagte, zum Schweigen, indem er sich mit den mittleren zwei Fingern an die Stirn tippte – der Hinweis eines Drachenlords, daß er sich im Geiste mit jemandem unterhielt. Tarina nickte und führte einige Ratsmitglieder von ihm fort.
Otter! Du bist schon in Casna?
Ja, den Göttern sei Dank, kam die müde Antwort.
Die Erschöpfung, die er durch die Geistesverbindung wahrnahm, alarmierte Linden. Was ist los? Bist du krank?
Nicht mehr, seit der Sturm vorüber ist. Ich bin einfach zu alt für solche Eskapaden, Jungchen.
Linden erinnerte sich an die dunklen Sturmwolken, die er am Vortag gesehen hatte. Ihr seid in den Sturm geraten? Das tut mir leid. Aber was mir noch viel mehr leid tut, ist, daß der Sturm es nicht bis Casna geschafft hat.
Die nächsten Worte klangen schon eher nach dem Otter, den erkannte. Dann hättest du das verdammte Mistwetter abkriegen sollen und nicht ich. Dieser verrückten Maurynna und ihrer Mannschaß hat es sogar Spaß gemacht. Sie behaupten, der Sturm sei überhaupt nicht schlimm gewesen.
Linden hätte über Otters wütenden, ungläubigen Tonfall beinahe laut aufgelacht. Wo bist du?
Ich bin gleich unterwegs zu Maurynnas Familie, den Vanadins in der Krämergasse. Aber erst muß der Kutscher noch unser Gepäck aufladen. Sollen wir uns später irgendwo treffen?
Nein, sagte Linden entschlossen. Du bist erschöpft. Widersprich mir nicht, Otter. Du vergißt, daß ich durch die Geistesverbindung mehr fühlen kann als du. Und mir gefallt nicht, was ich fühle. Du bist völlig erschöpft. Wenn du bei den – Vanadins, sagtest du? – bist, wirst du etwas Leichtes essen und dich anschließend sofort hinlegen. Das ist ein DrachenlordBefehl, verstanden?
Jawohl, Euer Gnaden, kam die müde – und erleichterte Antwort.
Sag mir Bescheid, wenn du angekommen bist. Ich will sicher sein, daß du in einem Stück dorthin gelangst. Ansonsten bis morgen.
Bis morgen.
Linden beendete die Verbindung. Er war nun allein im Sitzungssaal, unschlüssig, was er als nächstes tun sollte. Sherrine hatte am Abend wieder etwas anderes vor. Er konnte sich nicht beschweren. Sie traf sich mit ihm wesentlich öfter als mit ihrem anderen Liebhaber, und ihre gelegentliche Abwesenheit machte ihre Treffen um so reizvoller. Trotzdem freute ihn Otters Ankunft, und er war ein wenig frustriert, daß er sich nicht sofort mit seinem ältesten Echtmenschenfreund treffen konnte. Was sollte er mit dem Abend anfangen?
Ihm kam eine Idee. Wie war noch der Name dieser thalnianischen Kaufmannsfamilie?
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