Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
Er war mindestens soviel wert wie drei normale Männer. Sie stand auf.
Er war einer der größten Yerrin, die sie je gesehen hatte. Seine Kleider waren von guter Qualität, allerdings nicht neu. Aber warum verdingte sich ein Yerrin als Hafenarbeiter? Ganz gleich. Der Mann war stark wie ein Bulle. Sie hoffte, daß er intelligenter war. Ihre traurigen Erfahrungen hatten sie jedoch gelehrt, daß Stärke und Intelligenz selten Hand in Hand gingen.
Der Mann drehte den Kopf zur Seite, als hätte ihn jemand gerufen, doch Maurynna hatte nichts gehört. Er lächelte sie an und fragte: »Seid Ihr verletzt? Nein? Gut. Wenn Ihr mich bitte entschuldigen würdet.« Er ging weiter.
»Hey!« rief sie. »Wo willst du hin? Bleib hier, wir sind noch nicht fertig.«
Er blieb stehen und schaute verwirrt zu ihr zurück, dann deutete er auf sich.
O Götter. Groß und dumm wie ein Tor. »Ja, du! Beweg deinen Hintern hier rüber und tu was für deinen Lohn!«
Ein eigenartiges Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Dann zog er seine Tunika aus, warf sie achtlos zur Seite und kam zurück.
»Was soll ich tun?« fragte er.
»Was wohl?« fragte Maurynna ärgerlich. »Fässer aufladen. Und halte dich ran!«
»Na dann, auf geht’s«, sagte er grinsend.
Sie war sich nicht sicher, wie es geschah – oder wann –, aber bald fiel ihr auf, daß der neue Mann sie zu seiner Arbeitspartnerin gemacht hatte. Gemeinsam rollten sie die Fässer heran, und gemeinsam rollten sie sie auf den Lastkarren.
Sie schob nur einen Bruchteil des Gewichts – und sie nahm an, daß der Mann nicht mal dieses bißchen Hilfe benötigt hätte. Seine Kraft war beeindruckend. Trotzdem …
Sie mußte sich eingestehen, daß es Spaß machte, mit ihm zu arbeiten. Irgendwie schien es ihr, als würden sie sich schon seit Jahren kennen. Sie beobachtete ihn aus dem Augenwinkel.
Sein Clanzopf war geflochten wie bei einem Adligen: Raven hatte ihr einmal erklärt, welche Art von Zopf welchen Clan repräsentierte. Sie war sich nicht sicher, aber sie glaubte, daß die weißen, blauen und grünen Bänder in seinen Haaren die Farben des SchneekatzenClans waren. War er von seinem Clan verstoßen worden? Sie fragte sich, ob sie ihn dazu bringen konnte, ihr seine Geschichte zu erzählen. Lächelnd ersann sie einen absurden Vorwand nach dem anderen, um sich später mit ihm treffen zu können.
Er sah ihr Lächeln und zwinkerte ihr verschmitzt zu. Sie schlug den Blick nieder.
Er ist nichts weiter als ein gewöhnlicher Hafenarbeiter, schalt sie sich. Vielleicht sogar ein Ausgestoßener.
Egal. Dir Blick wanderte zu ihm zurück.
Eine breite, häßliche Narbe lief von seiner linken Schulter quer über seinen Brustkorb und verschwand an der rechten Hüfte in seiner Hose. Von Neugier erfüllt, fragte sie sich, woher die Narbe stammte. Sie wollte alles über ihn erfahren.
Sie dachte: Götter, sieht er gut aus. Ich mag sogar sein Muttermal, und fragte sich, weshalb er sie so anzog.
An seinem Blick sah sie, daß er dasselbe empfand. Sie überlegte, wie sie ihn treffen konnte, ohne daß ihre Familie davon erfuhr. Die wäre entsetzt darüber, daß sie sich mit einem Hafenarbeiter einließ.
Endlich waren alle Weinfässer verladen. Maurynna glaubte, daß die Fässer noch rechtzeitig ins Lagerhaus gelangen würden dank des neuen Mannes. Sie rief eine Pause aus und entsandte einen Helfer mit einer Nachricht für Danaet, dem Vertreter der Erdons in Casna. Wenig später kehrte der Helfer mit einigen Lagerarbeitern zurück, die ein paar kleine Bierfässer, Krüge, Brot und Käse mitbrachten.
Die Mannschaft machte sich über die Speisen her. Ein Arbeiter brachte ihr einen Krug Schwarzbier und ein Stück Brot. Sie nahm beides mit aufs Schiff, denn sie wollte nachsehen, was noch im Frachtraum lag.
Hinter ihr erbebte die Laufplanke. Sie drehte sich um und sah, nicht wirklich überrascht, den großen Yerrin hinter sich stehen. Ihr fiel ein, daß sie noch immer nicht seinen Namen kannte; sie fragte ihn danach.
Er schien sie nicht zu hören. Sein Blick glitt über das Schiff, und er fragte: »Wo wollt Ihr hin?«
»In den Frachtraum. Ich will nachsehen, was dort noch ist und vor Einbruch der Dunkelheit entladen werden muß.« Sie biß in ihr Brot.
Er tat dasselbe und spülte den Bissen mit einem Schluck Schwarzbier hinunter. »Warum benutzt Ihr keine Fackeln?«
Sie lächelte. »Zu teuer. Und wir haben noch lange nicht Neumond, das hilft also auch nicht. Du arbeitest noch nicht lange an den Docks,
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