Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
Gericht gesessen. Und niemals – niemals – wurde ich Zeuge eines derart widerlichen, unzivilisierten Benehmens. Euer Gezänk und Eure Prügelei sind schlimmer als die in einer üblen Hafentaverne.
Die heutige Sitzung ist hiermit geschlossen. Wir werden erst in vier Tagen wieder zusammentreten, so daß sich die Gemüter abkühlen können. Sollte derartiges noch einmal vorkommen, werde ich die Verantwortlichen von den Sitzungen ausschließen – und zwar auf Dauer. Das ist keine leere Drohung. Ich habe das Recht dazu, und ich werde es, wenn nötig, in Anspruch nehmen. Denkt darüber nach.« Mit steinerner Miene starrte er die cassorischen Adligen an, die wie gescholtene Schulkinder an ihm vorbeizogen und den Saal verließen.
Linden stand auf der linken Saalseite, breitbeinig und mit verschränkten Armen, und sah dem Geschehen wortlos zu. Er hatte den freien Tag, den er gewollt hatte – wenn auch nicht auf diese Weise. Er wartete, bis der letzte Echtmensch den Saal verlassen hatte, bevor er zu den anderen Drachenlords hinüberging.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Kief zu Tarina. »So etwas ist mir noch nie passiert. Bei all dem Gezänk und der Prügelei könnte man meinen, daß die Götter nicht möchten, daß wir eine Lösung finden.«
»Oder wenigstens keine schnelle«, sagte Linden ohne nachzudenken. Und fragte sich, woher der Gedanke gekommen war.
25. KAPITEL
Das hereindringende Klappern von Hufen auf Pflastersteinen raubte ihm die Konzentration. Kas Althume schaute von dem Buch auf und lauschte. Obwohl er keine Einzelheiten verstehen konnte, glaubte er, unter den Ankömmlingen Prinz Peridaens Stimme zu erkennen. Er klappte den uralten, ledergebundenen Wälzer zu und wartete.
Wenig später vernahm er lachende Stimmen im Flur. Es schien funktioniert zu haben. Der Magier schob die Finger ineinander, streckte die Arme von sich und ließ die Knöchel knacken.
Peridaen und Anstella platzten ohne anzuklopfen ins Studierzimmer. »Oh, der Ausdruck in Chardels Augen«, sagte Anstella und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. »Duriac hatte Glück, daß der alte Kläffer keinen Dolch bei sich hatte.«
Peridaen legte einen Arm um ihre Schultern. »Kas, Ihr habt die Zeit, die Ihr braucht. Genau gesagt, vier Tage, dank Duriacs spitzer Zunge – und Chardels überschäumendem Temperament.«
Kas Althume lächelte grimmig. »Exzellent! Exzellent!«
»Eigentlich hätten sich noch mehr Ratsmitglieder prügeln sollen – Duriac hatte mit den anderen geredet«, moserte Anstella, »aber als Linden Rathan ›Genug!‹ brüllte, verließ die anderen der Mut. Ich habe ihn nie so wütend gesehen. Zum Glück hat die eine Prügelei ausgereicht. Aber ich werde mir die anderen trotzdem noch mal vornehmen.« Das Blitzen in ihren Augen verhieß nichts Gutes für die Betroffenen.
Der Magier raunte etwas Unverständliches. Er konnte Schwächlinge, die sich so leicht einschüchtern ließen, nicht gebrauchen. Sahen diese Narren nicht, daß der Drachenlord mehr Muskeln als Hirn hatte und nichts weiter war als ein großer gutmütiger Kerl, der sich von einem gerissenen Ding wie Sherrine völlig ahnungslos aushorchen ließ? Bah. Kein Wunder, daß die Bruderschaft bisher nichts erreicht hatte.
»Wir können diesen Kniff jedoch nicht noch einmal anwenden«, sagte Peridaen. »Kief Shaeldar hat gedroht, bei einer erneuten Prügelei die Schuldigen von den Sitzungen auszuschließen. Dadurch würden zwar einige von Berens Befürwortern wegfallen, aber eben auch einige von unseren. Wir brauchen aber jeden Mann, um unentschlossene Ratsmitglieder auf unsere Seite zu ziehen. Trotzdem, Ihr habt jetzt vier Tage zusätzliche Zeit.«
»Das ist ein Anfang. Wir werden mehr Zeit bekommen, wenn wir sie benötigen.« Kas Althume strich mit seinen langen Fingern über das Buch vor ihm. »Wenn dieses Werk hält, was es verspricht, werden wir unseren DrachenlordGästen in der Tat einen … interessanten Aufenthalt bieten können.«
26. KAPITEL
Die ersten Sonnenstrahlen fielen durchs Fenster und warfen helle Lichtbalken auf den Fliesenboden und das Fußende des Betts. Die Tür zum Schlafgemach öffnete sich, und eine zierliche Gestalt schlüpfte in den Raum. Der Wolfshund, der neben dem Bett lag, hob den Kopf, bellte aber nicht. Sein Schwanz wedelte.
Die junge Frau hielt eine kleine Dosierflasche in der Hand. Sie trat ans offenstehende Fenster und goß den Inhalt der Flasche in die Regenrinne. Dann nahm sie gewandt einen Flakon aus dem
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