Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
kläglich.
Hätte sie etwas in der Hand gehabt, dann hätte sie es geworfen. Sie zu heiraten, weil sie miteinander auskamen, weil es bequem war wie ein Paar alte Stiefel? Weil es der leichteste Ausweg war? Sie dachte daran, ihn zu schlagen, erinnerte sich aber diesmal rechtzeitig an ihre größere Kraft. »Was!«
Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, daß Leute sich nach ihnen umdrehten. »Oh …! Ja, Raven, ich liebe dich, du Idiot, aber als Freund.« Sie beruhigte sich, als sie seinen gequälten Blick sah. Sanfter sagte sie: »Siehst du das denn nicht? Wir hätten nie eine Chance gehabt. Selbst wenn wir geheiratet hätten, hätte ich dich gehenlassen müssen, nachdem ich mich das erste Mal verwandelt hatte. Versuche es zu verstehen; ich liebe Linden nicht nur, er ist ein Teil von mir – buchstäblich. Das bedeutet es, Seelengefährte zu sein. Ich hätte zu ihm gehen müssen, ganz gleich, was geschah.«
Er nickte. Seine Stimme zitterte. »Ich versuche ja … es zu verstehen. Ich verstehe es hier«, er berührte seine Stirn. Dann legte er die Hand aufs Herz. »Aber hier habe ich Probleme. Ich habe immer geglaubt, wir würden heiraten und dann zu meiner Tante nach Yerrih gehen. Du weißt, daß sie will, daß ich ihr beim Züchten und bei der Ausbildung ihrer Pferde helfe.«
Maurynna war schockiert. Es ging nicht um seine Pläne; sie hatte seit Jahren gewußt, was er vorhatte. Aber sie hatte nie von seinen Plänen für sie gewußt.
Sie spürte, wie sich die Mauern enger um sie schlössen, und erhob sich langsam. Plötzlich bekam sie nicht mehr genug Luft. »Du hast geglaubt, ich könne das Meer so leicht aufgeben? Das hast du gedacht?«
Sie konnte es nicht glauben. Raven war derjenige, der von allen Menschen am besten hätte wissen müssen, was ihr eigenes Schiff ihr bedeutete. Auch er hatte Träume. »Das alles aufgeben! Versteht das denn niemand?« Maurynna drehte sich um und rannte quer durch die große Halle. Sie lief durch die Flure des Schlosses und ignorierte alle, die sie unterwegs ansprachen, lief wie ein Stück Wild auf der Flucht vor den Jagdhunden, entfloh jenen, die sie lebendig begraben wollten.
Es war albern und kindisch – das wußte sie. Aber sie konnte auch nicht mehr stillsitzen. Sie wäre erstickt.
Eine der hinteren Türen stand offen, um die frische Morgenluft hereinzulassen. Maurynna schoß wie ein Blitz auf der Suche nach einem Ziel hindurch.
Sie blieb nicht stehen, bis sie die Weide hinter dem Stall der Llysanyaner erreicht hatte. Ein Sprung, von dem sie vor ein paar Monaten nicht einmal zu träumen gewagt hätte, trug sie über den Zaun in den Auslauf ihres llysanischen Hengstes. Sie landete, verlor beinahe das Gleichgewicht, fing sich aber wieder, bevor sie flach im Dreck landete.
Boreal kam auf sie zugetrabt und schnaubte besorgt, weil sie so aufgeregt war. Maurynna vergrub ihr Gesicht in seiner Mähne und schlang die Arme um den gefleckten grauen Hals. Sie kämpfte gegen Tränen des Zorns und der Enttäuschung an.
Ich kann kein richtiger Drachenlord sein, ich kann kein Kapitän mehr sein, und alle wollen mich entweder in Watte packen wie eine Glaskugel oder mich davonschleppen, damit ihre Träume wahr werden. Verdammt, es ist einfach ungerecht!
Boreal hängte ihr den Kopf über die Schulter und zog sie näher an sich. Ermutigt vom Mitgefühl des intelligenten Tieres, holte sie tief Luft, um ihre Liste von Klagen fortzusetzen. Bei meinem Glück wird er der einzige sein, der mich versteht, Bei diesem Gedanken brach sie in trockenes, schluchzendes Lachen aus.
»Den Göttern sei Dank«, erklärte eine wohlklingende -wenn auch ironische – Stimme hinter ihr, »du weinst nicht. Nach der Art, wie du Boreal um den Hals gefallen bist, hatte ich das schon befürchtet. Denn du bist tatsächlich ein wenig zu groß für mich geworden, Kleine, als daß ich dich zum Trost noch auf den Schoß nehmen könnte.«
Raven hockte bedrückt auf der Bank und starrte auf den Steinboden. Er hatte alles verdorben. Er hätte nicht gedacht, daß Maurynna es so aufnehmen würde.
Und das Schlimmste war, daß er nicht einmal genau wußte, was er falsch gemacht hatte.
Er blickte auf, als er zwei Gestalten am Eingang der Nische bemerkte. Der eine war ein schweigender Linden Rathan; die Miene des hochgewachsenen Drachenlords war unergründlich. Der andere war sein Großonkel, der Barde Otter Heronson. Und er war alles andere als still.
»Du konntest wirklich immer schon mit Worten umgehen, Junge«, meinte sein
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