Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
haben, als die Menschenmengen von Nendra Kove weiter an ihr vorbeidrängten. Dann erklang es lauter und diesmal verzweifelt: »Gilliad!«
Sie drehte sich um. Einer ihrer Vettern, Mossuran al zef Mimdallek, drängte sich durch die Straße und folgte ihr, ungeachtet, wen er dabei beiseite schubsen mußte. Sie blinzelte überrascht; das paßt überhaupt nicht zu ihm. Ebensowenig wie die finstere Miene auf seinem rötlichen Gesicht.
Er sollte auch eigentlich nicht in Nendra Kove sein; sie war davon ausgegangen, daß er als Dritter des Hauses in der Hauptstadt Zarkorum arbeitete. Seiner offensichtlichen Erschöpfung und seinen staubigen Kleidern nach zu gehen, mußte Mossuran beinahe ohne Pause hierher geritten sein. Irgend etwas stimmte nicht.
Ihre gute Laune verschwand auf der Stelle. Gilliad kämpfte gegen den Menschenstrom an, der in die entgegengesetzte Richtung floß. »Mossuran, was ist los?« rief sie.
Er sagte nichts, als er sie einholte, packte sie nur am Ellbogen und zog sie beiseite. Sie sah, daß er auf ein Tekeral zuging, auf eine der kleinen Parkflächen, die es überall in Nen dra Kove gab, eine Oase von Grün in der überwältigenden Hitze.
Dieser kleine Park war leer bis auf zwei alte Männer, die auf
einer Bank unter einem riesigen Jasminstrauch saßen. Ein abgenutztes Spielbrett lag zwischen ihnen. Sie blickten von ihrem Ziegen-und-Schakale-Spiel nicht einmal auf, als Gilliads und Mossurans Schatten auf das Brett fielen.
Mossuran führte Gilliad zu einer anderen Bank unter einer hoch aufragenden Dattelpalme. Er brach eher zusammen, als daß er sich hinsetzte, und er atmete schwer. Seine dunkle Haut hatte eine kränkliche Graufärbung angenommen. »Dieser verdammte Verrückte ist wieder da«, sagte er ohne Einleitung. »Er ist in Zarkorum.«
Gilliad brauchte einige Herzschläge lang, um ihn zu verstehen. Dann erstarrte sie bis in die Seele.
»Was!« Ihr wurde übel. Was, bei den neunzig Höllen von Udasah, machte dieser Kelnethi-Verrückte wieder in Assantikk? Besonders in Zarkorum? War er gekommen, um dem Haus Mhakkan mitzuteilen, daß sie entgegen dem ausdrücklichen Befehl des Dekrets des Kaisers mit Jehanglan Handel trieb?
Falls er das tat, wäre das das Ende des Hauses Mimdallek. Und das würde sie nicht zulassen, selbst wenn sie den Rest der Ewigkeit in den vergifteten Klauen Danashkars verbringen müßte.
In ihrem Schrecken mußte sie das letzte laut ausgesprochen haben, denn Mossuran schüttelte den Kopf.
»Ich glaube, du brauchst dir keine Gedanken mehr wegen Danashkar zu machen, Gilliad – falls das überhaupt je der Fall war. Ich habe diesen Taren Olmeins selbst gesehen, und er wirkte ebenso vernünftig wie jeder andere.«
»Du glaubst also …« Sie konnte den Satz nicht beenden.
Er sah sie an und nickte. »Er hat sich verstellt. Er wußte es -er wußte, welche Fäden er ziehen mußte, als wären wir Marionetten und er der Puppenspieler. Ich weiß nicht, wie er dieses Schäumen und die blutunterlaufenen Augen hingekriegt hat, aber ich bin jetzt sicher, daß es Schauspielerei war. Der Mann ist nicht verrückter als du oder ich.« Mossuran holte tief Luft. Er wandte ihr seinen flehentlichen Blick zu; seine Stimme bebte, als er fragte: »Was machen wir jetzt?«
Sie hätte sich einen Partner mit etwas mehr Rückgrat als Mossuran gewünscht, aber er war alles, was sie hatte. Sie erklärte mit einer Geduld, die ihre eigene Angst kaum verbarg: »Wenn er hier ist, um uns zu verraten, werden wir die nächste Ladung so schnell wie möglich abschicken müssen. Damit werden wir zweierlei erreichen: Wir sind den Beweis los, und Afrani und seine Mannschaft sind außer Reichweite der Folterer des Kaisers. Sag ihnen Bescheid; sag ihnen, sie sollen nach der Ablieferung dieser Fracht nach Norden, nach Thalnia, segeln und dort eine Weile warten.«
Sie fürchtete nicht, daß die Folterer des Kaisers ihr oder Mossuran etwas antun könnten; ihre Stellung im Haus Mimdallek würde sie gegen das Wort eines Fremden schützen, wenn es keine anderen Beweise gäbe. Aber die Seeleute und Bauern waren etwas anderes … Sie verriet nicht, wie rasch ihre Angst anwuchs, das würde Mossuran nur noch mehr verschrecken. Es war besser, so zu tun, als wäre sie vorbereitet.
»Aber der Frachtraum ist noch nicht voll«, wandte Mossuran ein, »und es ist noch mehr auf dem Weg; das Schiff sollte einen weiteren Zehntag lang nicht in See stechen.« Er klang jetzt entschlossener; das hatte sie vorausgesehen. Mossuran
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