Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix
Gefangenschaft.
Er will die ganze Welt verbrennen, dachte Linden. Und dann: Ich muß ihn aufhalten – es gibt so viele Unschuldige in dieser Stadt!
Mit einem Brüllen flog er auf den Phönix zu. Sein Feueratem ging über den Kopf des Vogels hinweg, und der Phönix sah sich um. Er ließ von seinem Angriff auf die Stadt ab und folgte Linden.
Linden wich aus und versuchte wieder und wieder, den Phönix von der Stadt wegzulocken. Aber der Vogel drehte nach jedem Angriff um. Linden versuchte im Geist zu ihm zu sprechen, gab aber auf, als ihm klar wurde, daß der Geist des Phönix, anders als der eines Drachen, der eines Tieres war.
Er folgte ihm weiter, wagte aber nicht, ihm zu nahe zu kommen, obwohl das Feuer, das von den Flügeln des wirklichen Phönix tropfte, nicht so tödlich war wie das der Vision, der Morien und die Echtdrachen gegenübergestanden hatten. Linden versuchte, den Vogel mit Drachenfeuer anzugreifen, aber der Phönix war zu schnell.
Und Linden war einmal zu langsam. Das Phönixfeuer flackerte über seinen Schwanz, und er brüllte schmerzerfüllt auf. Es war nur eine Frage der Zeit, das wußte er, bevor der Vogel ihn besiegte. Er war bereits müde in diesen Kampf gegangen.
Als spürte er Lindens Angst, schoß der Phönix wieder auf ihn zu und schrie seine Wut in den Himmel hinein.
Lleld flog über den blauen Himmel und zwang ihre Flügel, sich so schnell wie möglich zu bewegen. Sie sollte jetzt in Rivasha sein und Linden helfen. Aber Jekkanadar brauchte sie. Sie konnte nur beten, ihn rechtzeitig zu erreichen.
Linden wich aus, als die zornigen Schreie des Phönix wieder und wieder erklangen. Dann vernahm er über diesen Schreien ein dröhnendes Brüllen. Er wendete den langen Hals, um über die Schulter nach Norden zu spähen. Der Anblick, der ihm dort zuteil wurde, bewirkte, daß er beinahe aus dem Flugrhythmus gekommen wäre, und schickte ihm einen kalten Schauder über den Rücken.
Der Anblick von Ketten, die an Fesseln an allen vier Beinen des Drachen hingen, war schlimm genug. Aber dann sah er das wunde, nässende Fleisch um die Fesseln, und sein Magen drehte sich um.
Das Schlimmste aber war der Blick des fremden Drachen. Die Götter mochten ihm helfen – in diesen Augen stand nichts als Wahnsinn und Blutgier. Das lag nicht im Wesen der Drachen; dieser hier hätte sich niemals so weit von seinem wahren Selbst abwenden dürfen …
Das muß Pirakos sein, dachte er entsetzt. Bei Gifnus’ neun Höllen, was haben sie ihm angetan?
Er hätte den Phönix beinahe vergessen. Nur das Rauschen des Windes durch die goldenen Federn warnte ihn. Linden ließ sich nach unten sacken und wendete abermals. Der feurige Schweif verfehlte ihn knapp, und der Phönix flog über ihn hinweg.
Aber nicht mehr Linden war das Ziel des Phönix. Er war nur im Weg des Geschöpfs gewesen; er war nun nicht wichtiger als ein Insekt.
Der Phönix hatte Pirakos entdeckt. Sein Wutschrei, als er über Linden hinwegflog, hätte dem Drachenlord beinahe die Trommelfelle zerrissen. Das hier ist mein wahrer Feind, sagte dieser wortlose Schrei.
Und Pirakos dachte dasselbe. *Du!* tobte er. *Du bist die Ursache all meines Leidens!* Die Geistesstimme des Drachen erscholl in Lindens Kopf und drohte ihm den Schädel bersten zu lassen …’ Dieser hier gehört mir! Halte dich zurück, oder ich töte dich ebenfalls.*
Pirakos stieß ein wahnsinniges Geheul aus und ging in den Sturzflug. Scharlachrote Flammen schossen aus seinem offenen Mund.
Der Phönix flog ihm entgegen, Feuer tropfte von Flügeln und Schweif, und in seinen grünen Augen stand derselbe glühende Wahnsinn wie in denen des Echtdrachen. Aus dem Geist des Phönix kamen Bilder und Gefühle, die Lindens Gedanken schier versengten: die Qual, lebendig in einer Höhle voll Lava begraben zu sein, der Zorn darüber, in der Falle zu sitzen, die verzweifelte Gier, zu seinem Scheiterhaufennest zu gelangen. Und über allem ein ungeheuerlicher Zorn auf den Drachen, den der Vogel als Ursache all seiner Qualen verstand.
Linden wich vor ihrer vereinten Wut zurück. Er wollte ihnen zurufen, daß keiner die Schuld trug, daß man beide ausgenutzt hatte, daß es die Schuld von machtgierigen Menschen war – Menschen, die schon Jahrhunderte zuvor gestorben waren und von keiner Rache mehr erreicht werden konnten. Aber er wußte, daß keiner ihm zuhören würde; sowohl Drache als auch Phönix waren zu sehr versunken in ihrem Wahnsinn und ihrem Zorn. Er konnte nur zusehen. Und die ganze Zeit
Weitere Kostenlose Bücher