Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix
ab. Eine Stimme brüllte ihr ins Ohr: »Herrin! Wir müssen fliehen!«
Unter ihr breiteten sich die großen Flügel aus.
28. KAPITEL
Irgendwie gelang es ihnen, die Stufen des Turms hinabzusteigen. Shei-Luin konnte sich nicht daran erinnern. Hinter sich hörte sie wilden Gesang. Sie warf einen einzigen Blick zurück.
Der Phönix erhob sich auf flammenden Flügeln. Einer der Flügel stieß gegen den Turm; das hölzerne Gebäude brannte auf der Stelle. Dann schaute Shei-Luin nicht mehr hin. Umgeben von ihrer kleinen Familie floh sie.
Endlich öffnete der alte Drache die Augen. Wasser wirbelte um ihn her. Hoch, hoch über sich konnte er ein schwaches Leuchten sehen, von dem er wußte, daß es der Himmel war. Er stieg auf, dem Himmel entgegen, mit kräftigen Schwimmbewegungen, begierig, wieder frische Luft zu spüren.
Heller und heller wurde das Wasser rings um ihn her. Das …
Sein Kopf brach durch die Oberfläche, und Oolan Jeel spürte den Wind. Einen Augenblick lang blieb er an der Wasseroberfläche und genoß das Sonnenlicht.
Aber Großes geschah. Er sandte einen Ruf zu den anderen aus, von denen er wußte, daß sie am Grund ihrer Seen schliefen, dann löste er sich in Nebel auf und erhob sich wie eine Wolke aus dem See.
Die Stadt Rivasha brannte. Als sie mit einer erschrockenen Menschenmenge durch die Straßen rannte, konnte Shei-Luin sehen, wie der Phönix über sie hinwegflog. Wo immer das Feuer von seinen Flügeln hintropfte, flackerten Flammen auf.
Sie hörte Pferde – eine Kavallerietruppe! Sie waren gerettet!
»Hier entlang!« rief sie, riß Xahnu der erschöpften Kinderfrau aus dem Arm und rannte eine Seitenstraße entlang. Die anderen folgten.
Sie fanden sich beinahe in der Mitte der Reiter wieder; es waren nur ein paar. Sie rief ihrem Anführer etwas zu. Er drehte sich im Sattel um …
»Nein!« Shei-Luin versuchte sich umzudrehen, aber es war zu spät. Jhanun riß sein Pferd herum und kam auf sie zu. Sie kam zurück, wich ihm aus. Er fluchte.
Aber sie konnte dem zweiten Mann nicht ausweichen. Sie starrte in ein fremdes Gesicht, gelb von der Sonne, der kahle Schädel von einem weißen Haarkranz umgeben. Er lachte triumphierend und griff nach dem Kind in ihren Armen.
Dann war Murohshei zwischen ihnen. Eine kleine Klinge blitzte, und der Reiter drückte eine Hand auf sein Bein und schrie auf. Zusammen rissen ihn Murohshei und Zyuzin vom Pferd.
Shei-Luin ließ sich gegen eine Wand sinken, Xahnu an die Brust gedrückt, und das Blut rauschte ihr in den Ohren. Aber es rauschte nicht laut genug, um Jhanuns triumphierenden Schrei zu übertönen.
»Laßt sie gehen – Nalorih hat den anderen Jungen! Teilt euch – ihr kennt den Treffpunkt!«
Mit einem gequälten Aufschrei folgte Shei-Luin ihnen. Aber die Feinde waren zu Pferd und sie nicht, und außerdem trug sie ein kräftiges, schreiendes Kind.
Verzweifelt sah sie zu, wie die Reiter sich im Rauch verloren, ihr Sohn und seine Kinderfrau gefangen.
Als sie sich umdrehte, sah sie, wie Murohshei den Gefangenen auf die Beine riß. Blut lief über das Bein des Mannes.
»Ich erkenne ihn«, sagte Murohshei. »Er ist einer von Jhanuns Dienern – Baisha.«
»Bring ihn her«, sagte Shei-Luin kalt.
Als Linden das ehemalige Gefängnis des Phönix erreichte, sah er nur eine Stadt in Flammen, aber keinen Phönix, nur einen leeren Krater. Der ganze Ort stank nach Magie. Dann hörte er unirdischen Gesang und sah sich um.
Hinter einem Palast stieg das schönste Geschöpf auf, das Linden je gesehen hatte. Der Phönix flog hoch in die Luft, und Feuer tropfte von seinen Flügeln. Er hatte die Größe eines Echtdrachen, mit einem Schwanz aus langen, fließenden Federn.
Goldene Federn, goldene Krallen, goldener Schnabel; der Phönix glitzerte wie eine kleine Sonne. Nur die Augen waren grün und haßerfüllt. Er erhob sich über den Palast, nur um wie ein Falke wieder herabzustoßen. Feuer ergoß sich hinter ihm. Im letztmöglichen Augenblick kam der Phönix aus dem Sturzflug, überflog Palast und Tempel. Er schoß durch die Luft wie ein Komet und schrie in wahnsinnigem Zorn.
Feuer flackerte an hundert Stellen auf. Linden konnte das entsetzte Geschrei hören, als jede Zuflucht zu einer Todesfalle wurde. Der Phönix drehte sich um, um das Gebäude abermals zu überfliegen; diesmal hackte er mit Krallen und Schnabel nach den Türmen. Sie zerbrachen wie trockenes Ried. Wieder und wieder griff der Phönix den Palast an und suchte Rache für Jahrhunderte der
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