Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix
und verfluchten den dichten Nebel, wenn sie auf dem unebenen Boden stolperten.
Ein dünnes, unheimliches Jammern drang durch die Luft. Ein verängstigtes Schwatzen antwortete. »Still!« brüllte Kwahsiu und drehte den Kopf, um die Richtung des Geräuschs ausfindig zu machen. Wieder erklang es, verzerrt vom Nebel, aber erkennbar. Ah – geradeaus und nach links. »Das ist kein Geist, ihr Narren – erkennt ihr denn nicht den Schrei eines Kindes, wenn ihr ihn hört?«
Er eilte zum Wasser und folgte dem Ufer zu einem kleinen Hain, der sich aus dem Grau erhob. Als wollte es ihn drängen, schrie das Kind wieder. Weit vor seinen Männern kletterte Kwahsiu über umgestürzte Baumstämme und Äste, bemüht, seine kleine Geisel bald zu erreichen.
Ein Brombeerdickicht lag zwischen ihm und seinem Ziel, einer Korbwiege auf einer kleinen Fläche aus Kieseln und Sand, vor der die Leiche einer Frau lag. Schon der erste Blick durch das Dickicht zeigte, daß eine klaffende Wunde in ihrem Rücken sie getötet hatte; es war erstaunlich, wie weit sie mit ihrer kostbaren Last noch gekommen war. Kwahsiu fragte sich einen Augenblick, wo sie nach der Flucht aus Rivasha eine Wiege gefunden hatten; wahrscheinlich hatten sie einen Bauernhof geplündert.
Das Kind in der Wiegejammerte hungrig und zornig, weil man es allein gelassen hatte. Kwahsiu lachte leise; Xu ma Jhi war ebensowenig wie sein Vater oder seine Mutter daran gewöhnt, daß es ihm an etwas mangelte. Er betete zu den Göttern, daß das Kind umgänglicher war als die Mutter. Kwahsiu zog sein Schwert und hackte sich den Weg durch die Brombeeren zur Wiege.
Er war gerade dabei, die bestickten Bänder durchzuschneiden, mit denen das Kind in der Wiege gehalten wurde, als es geschah. Einen Augenblick lang war der Fluß neben ihm noch glatt und ruhig. Im nächsten Moment begann das Wasser zu kochen. Kwahsiu stieß zum ersten Mal in seinem Leben einen entsetzten Schrei aus, als ein riesiger Kopf mit Fühlern und Barten über ihm aufragte. Das Maul klaffte auf und enthüllte lange, messerscharfe Zähne. Noch während Kwahsius gelähmter Geist sagte: »Ein Drache!« warf ihn ein Stoß des riesigen Kopfes um. Dann griff das Ungeheuer zu seinem Entsetzen mit den Zähnen nach der Wiege.
Wie ein Peitschenschlag zog der schuppige Alptraum sich zurück und verschwand im Fluß. Das letzte, was Kwahsiu von dem einzigen Geschöpf sah, das die kaiserlichen Truppen von den Mauern seines Herrn hätte fernhalten können, war die Wiege zwischen den Drachenkiefern, der Kopf hoch über dem Wasser, als sie im Nebel verschwanden.
Kwahsiu erkannte, daß er bei dem Auftrag, den sein Herr ihm gegeben hatte, versagt hatte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als auf die einzige Weise Buße zu tun, die ihm offenstand.
Er stützte sein Schwert in die Baumwurzeln und zielte mit der Spitze auf sein Herz.
»Was hast du da, Miune?« fragte Zhantse.
Miune Khin legte seine Last sanft auf dem Gras ab, froh, wieder zu Hause zu sein. *E s ist ein Junges, ein Menschenjunges*, sagte er. *Ein Soldat wollte es töten*
Zhantse zog die Brauen hoch.
*Das wollte er, ich sage es dir doch!* beharrte Miune. *Er bückte sich über die Wiege und hatte das Schwert in der Hand.*
»Aha«, sagte Zhantse. »Dann hast du das gut gemacht, Miune. Die Jehangli sind dieser Tage wie wahnsinnig; ich bezweifle nicht, daß sie tatsächlich imstande wären, ein Kind zu töten. Sehen wir mal, was du mir gebracht hast.« Er griff nach dem kostbaren Bündel des Wasserdrachen und trug es zu dem Feuer hinüber, auf dem ein Kaninchen am Spieß briet.
Miune folgte ihm mit ungeschicktem Watscheln. *Wenn wir wissen, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist, möchte ich ihm einen Namen geben*, sagte er.
»Das wäre nur gerecht«, stimmte Zhantse ihm zu. »Immerhin hast du ihm das Leben gerettet.«
Zhantse setzte die Korbwiege ab, zog sein Messer und schnitt die bestickten Bänder durch, mit denen das Kind festgehalten wurde. Er verzog das Gesicht, als klar wurde, daß die Windeln des Kindes lange nicht gewechselt worden waren.
*lhht* sagte der Drache und nieste.
»Ganz deiner Meinung«, meinte Zhantse. Er hielt den Atem an und zog das Kind aus. Er betrachtete kurz die kostbaren Kleider. Miune sah ihm zu und wußte, was er dachte; einige würden von Reichtum sprechen, aber in Nisayeh zählte so etwas nicht.
Dennoch, sie waren das einzige, was das Kind mitgebracht hatte. *Behalte sie*, drängte er.
Zhantse warf ihm einen langen Blick zu, aber er
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