Drachenmagier
Haplo knurrte wieder. Wenn das Mädchen noch
nie einen nackten Mann
gesehen hatte, dann war es eben jetzt das erste Mal. Er hatte weder
Zeit noch
Geduld für die Zimperlichkeit weiblicher Nichtiger. Obwohl
seine Magie mit den
Tätowierungen erloschen war, hatte er das sichere
Gefühl, daß sie sich nicht allein
in dieser Höhle befanden. Sie wurden beobachtet.
Haplo warf die Hose
auf den Boden, ging in die Hocke und streckte Hände und Arme
dem wärmenden
Feuer entgegen. Mit Genugtuung sah er die Nässe auf seiner
Haut trocknen und
sah über die Schulter zu seinen Schützlingen hin.
»Zieh den Schleier
über den Kopf«, wies er Devon an. »Setz
dich ans Feuer. Es sieht verdächtig
aus, wenn du allein da hinten stehst. Aber sieh zu, daß dein
Gesicht im
Schatten bleibt. Und leg das verdammte Messer weg!«
Devon tat, wie ihm
geheißen. Er schob das Messer in die
Gürtelschärpe und zog sich einen nassen
Streifen Tuch über Kopf und Gesicht. Dann kam er mit
fröstelnd hochgezogenen
Schultern heran und wollte sich im Schneidersitz niederlassen.
»Nicht wie ein Mann!«
zischte Haplo. »Auf den Knien. Ja. Alake, bring Grundel her.
Und weck sie auf.
Ich will, daß jeder auf der Hut ist.«
Alake nickte, ohne
Zeit für eine Antwort zu vergeuden. Sie eilte zu der
am Boden liegenden
Freundin.
»Grundel, du mußt
aufstehen. Haplo will es. Grundel, ich kann das Böse
spüren. Die
Drachenschlangen sind hier, sie belauern uns. Bitte, du mußt
tapfer sein!«
Das Zwergenmädchen
stöhnte wieder, aber sie setzte sich auf und blinzelte sich
das Wasser aus den
Augen. Alake half ihr auf die Füße. Gemeinsam kamen
sie zum Feuer.
»Wartet!« sagte Haplo
leise und erhob sich steifbeinig.
In seinem Rücken hörte
er Alake scharf einatmen und Grundel etwas auf zwergisch murmeln. Devon
verschmolz
mit den Schatten.
Rotgrüne Augen
erschienen in der Dunkelheit, vor deren kaltem Glitzern der
Schein des Feuers
verblaßte. Es waren die starren Augen von Reptilien, von
Schlangen, zahlreich
wie die Sterne am Himmel. Aus unvorstellbarer Höhe
schauten sie auf Haplo
herab, wiegten sich züngelnd; er hörte das Schleifen
und Schaben massiger
Körper auf Sand und Gestein. Ein fauliger, modriger Geruch
hinterließ in seinem
Mund einen abscheulichen Geschmack nach Tod und Verwesung.
Übelkeit stieg in
ihm auf. Die Nichtigen wimmerten vor Entsetzen. Eins der
Mädchen oder Devon
würgte trocken.
Haplo drehte sich
nicht zu ihnen herum. Er war nicht fähig, sich umzudrehen. Die
Drachenschlangen
glitten in den Lichtkreis des Feuers. Flammen glänzten auf
gewaltigen,
schuppigen schillernden Leibern. Er war überwältigt,
eingeschüchtert von der
enormen Größe der Kreaturen, die turmhoch
über ihm aufragten. Turmhoch auch in
übertragenem Sinne, so überlegen waren sie ihm an
Macht. Er fühlte sich klein,
demütig. Daß er seine Magie verloren hatte, war
nicht mehr von Belang. Diese
Wesen konnten ihn mit einem Hauch zerschmettern, mit einem
Wispern zermalmen.
Die Hände an den
Seiten zu Fäusten geballt, erwartete Haplo
gefaßt den Tod.
Die gewaltigste der
Drachenschlangen reckte plötzlich das Haupt empor. Der Glanz
der grünroten
Augen erfüllte die Höhle mit einer giftigen,
unheiligen Helligkeit. Dann,
gänzlich unerwartet, senkte sich eine milchige Haut
über diese Augen und
dämpfte ihr Leuchten, der gigantische Schädel neigte
sich vor Haplo, der nackt
im Flammenschein stand. »Patryn«, lispelte die
Schlange ehrerbietig. »Meister.«
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Kapitel 15
Draknor, Chelestra
»Also, bei meines
Vaters Bart!«
Haplo vernahm mit
halbem Ohr das Flüstern der Zwergin und konnte
nachfühlen, was sie empfand. Die
riesige Drachenschlange bettete ihr Haupt vor dem Patryn auf
den Boden. Ihre
Vasallen verharrten in respektvoller Entfernung, mit gebeugtem
Nacken und
gesenktem Kopf.
Haplo blieb wachsam,
mißtrauisch. Schlangen waren intelligente, tückische
Kreaturen, denen man nicht
trauen durfte.
Das Reptil hob den
Kopf und bäumte sich fast bis unter die
gewölbte Decke der Höhle empor. Die
Nichtigen schrien auf. Haplo gebot ihnen mit einer
Handbewegung Schweigen.
»Still«, sagte er.
Die Drachenschlange
schien lediglich eine bequemere Haltung einnehmen zu wollen. Sie
ringelte sich
in immer neuen Windungen und bettete schließlich den
Kopf auf den Turm ihrer
Schlingen.
»Jetzt können wir uns
unterhalten, Patryn. Bitte nimm Platz. Willkommen in
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