Drachenmeister
Brachland gab, das man vielleicht bebauen konnte. Man schlug sogar vor, die Sumpfgebiete an den Grenzen von Benden trockenzulegen. Ein so mächtiger Weyr konnte sicherlich noch den einen oder anderen Hof beschützen. Piemur, der meist eine Weile am Rande der Diskussionsgruppen zubrachte, hörte geheimnisvolle Andeutungen und faszinierende Gesprächsfetzen; das meiste davon tat er als Klatsch ab, aber eine Bemerkung blieb in seinem Gedächtnis haften. Sie fiel in einer Unterhaltung, die Baron Oterel mit einem Fremden führte; der leichten Kleidung nach schien es sich um einen Bewohner der wärmeren Südregionen zu handeln. »Meron bekommt immer mehr, als ihm zusteht. Und Mädchen gewinnen Kampfdrachen für sich, während unser Junge leer ausgeht. Lächerlich!«
Piemur fiel es zunehmend schwerer, sich von einem Tisch zu erheben und an den nächsten zu schlendern. Nicht dass er Wein getrunken hatte; er war vernünftig genug, Alkohol zu meiden. Aber eine bleierne Müdigkeit hatte ihn überfallen; am liebsten wäre er an Ort und Stelle eingeschlafen.
Er merkte kaum etwas von der Kälte im Dazwischen, sondern war lediglich verärgert, dass man ihn zum Gehen zwang, obwohl er sitzen bleiben wollte. Ihm kam vage zu Bewusstsein, dass über seinen Kopf hinweg eine Auseinandersetzung seinetwegen stattfand,
und er hatte das verschwommene Gefühl, dass es Silvina war, die irgendwie seine Partei ergriff. Er empfand unendliche Dankbarkeit, als er schließlich ein Bett unter sich spürte. Jemand zog ihm eine Felldecke bis ans Kinn und dann versank er in einen tiefen Schlaf.
Die Glocke weckte ihn und seine Umgebung machte ihn wirr. Er schaute angestrengt umher. Sicher war nur, dass er sich nicht im Lehrlingsschlafsaal der Trommler befand. Ein Strohsack diente ihm als Behelfslager - und auf einem Stuhl in der Nähe entdeckte er Sebells Kleider. Sein eigenes Zeug war zu einem ordentlichen Stapel am Fußende des Strohsacks gefaltet. Offenbar hatte er in Sebells Zimmer übernachtet.
Die Glocke schrillte durch seinen dröhnenden Kopf. Piemur zog sich hastig an und wusch sich in aller Eile das Gesicht, damit ihm Leute wie Dirzan nicht etwa Schlamperei und Unsauberkeit vorwerfen konnten. Dann eilte er die Treppe hinunter zum Speisesaal. Er hatte eben die Vorhalle erreicht, als Clell und die drei anderen durch das Haupttor kamen. Clell wechselte einen raschen Blick mit seinen Gefährten und baute sich dann vor Piemur auf. Er packte den Jüngeren grob am Arm.
»Wo warst du die letzten zwei Tage?«
»Warum? Musstest du die Trommeln putzen?«
»Du kriegst es schon noch von Dirzan!« Ein boshaftes Grinsen huschte über Clells Züge.
»Warum kriegt er es von Dirzan, Clell?«, fragte Menolly, die unbemerkt hinter den Trommlerlehrlingen aufgetaucht war. »Er hatte für Meister Robinton zu tun.«
»Er hat immer für Meister Robinton zu tun«, entgegnete Clell unbeherrscht. »Und immer mit Ihnen!«
Piemur war so verblüfft über Clells Unverschämtheit, dass er die Faust hob und damit auf sein grinsendes Gegenüber einschlagen wollte. Aber Menolly war schneller; sie packte Clell an
der Schulter, drehte ihn herum und schob ihn zum Hauptportal zurück.
»Aufsässigkeit gegenüber Gesellen bedeutet Wasser und Brot für dich, Clell!«, sagte sie ruhig. Ohne ihm noch einen Blick nachzuwerfen, wandte sie sich an die drei anderen. »Und die gleiche Strafe erwartet euch, wenn ich erfahre, dass ihr euch in irgendeiner Weise an Piemur zu rächen versucht! Habe ich mich klar genug ausgedrückt? Oder muss ich ein Gespräch mit Meister Olodkey führen?«
Die eingeschüchterten Lehrlinge schüttelten stumm den Kopf und eilten in den Speisesaal, sobald Menolly ihnen mit einem Wink bedeutete, zu gehen.
»Hast du große Schwierigkeiten auf den Trommelhöhen, Piemur?«
»Keine Sorge, ich schaffe das schon!«, antwortete Piemur. Er hatte beschlossen, Clell diese Frechheit gegenüber Menolly heimzuzahlen.
»Für dich gibt es gleichfalls Wasser und Brot, Piemur, wenn ich auch nur einen Kratzer in Clells Gesicht entdecke.«
»Aber er...«
In diesem Moment kamen Bonz, Timiny und Brolly in die Vorhalle gerannt und begrüßten Piemur mit so sichtlicher Erleichterung, dass Menolly nach einem letzten finsteren Blick auf die Lehrlinge zu den Gesellentischen weiterschlenderte. Die Freunde wollten wissen, wo er denn so lange gewesen sei und was er alles erlebt habe.
Piemur achtete genau darauf, was er erzählte. Er schilderte kurz den Verlauf des Festes auf
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