Drachenmeister
Sebell beabsichtigt, dich zu Merons Fest auf Burg Nabol mitzunehmen. Einerseits entrinnst du damit Tilgins Gesang - obwohl er sich stark verbessert hat -, auf der anderen Seite wird kein Mensch auf Nabol mit Harfnern von unserer Gildehalle rechnen. Zu singen gibt es dort ohnehin nicht viel.«
»Lebt denn Baron Meron immer noch?«
»Ja.« Menolly seufzte und hielt dann den Kopf schräg, um ihn genau zu betrachten. »Dein Gesicht ist noch schön verschwollen - das passt ganz gut ins Konzept. Hoffentlich verschwinden die blauen Flecken nicht zu schnell...«
Piemur nahm einen weinerlichen Tonfall an. »Wieder so ein armer Lehrling, der von seinem brutalen Meister wegen jeder Kleinigkeit verprügelt wird?«
»Du hast es erfasst.« Menolly lachte. »Man merkt, dass es wieder aufwärts mit dir geht.«
Spät am selben Abend tauchte ein älterer Mann in staubigen, zerlumpten Kleidern an der Tür auf und schlurfte schwerfällig näher. Anfangs hielt Piemur ihn für einen Viehhirten, der nach Meister Oldive suchte und sich verlaufen hatte; als der Mann jedoch das Bett erreicht hatte, änderte sich seine unschlüssige, fast ängstliche Haltung, und er richtete sich auf.
»Sebell?« Etwas an dem Fremden hatte Piemur misstrauisch gemacht. »Sind Sie das etwa, Sebell?«
Der schmuddelige Alte nickte ihm lachend zu.
»Jetzt bin ich sicher, dass ich mich unerkannt auf Baron Merons Fest herumtreiben kann. Silvina habe ich auch hereingelegt. Sie sagte übrigens, du hättest noch ein paar alte Sachen, die gut zu einem Hütejungen passen würden.«
»Zu einem Hütejungen?«
Sebell nickte. Als er weitersprach, nahm er den breiten Dialekt der Bergbewohner an. »Prächtiger Zufall, dass du mit Herdentieren umgehen kannst.« Piemur starrte ihn verblüfft an. Sebell verstand es, sich von einer Sekunde zur nächsten in einen Viehhirten zu verwandeln.
Trotz des Kummers, dass er ausgerechnet die Rolle spielen sollte, die er am liebsten für immer aus seinem Leben gestrichen hätte, war Piemur begeistert von Sebells Verstellkunst. Wenn der Harfnergeselle sich nicht zu schade für einen so »primitiven« Beruf war, dann würde er sich auch überwinden.
»Meister Robinton ist mir also nicht böse?«
»Nicht die Spur!« Sebell schüttelte heftig den Kopf. Kimi kam ins Krankenzimmer geflattert und schalt, offenbar weil Sebell ihr befohlen hatte, draußen zu warten. Dann wurde die Miene
des Gesellen ernst und er hob mahnend den Finger. »Du darfst dich allerdings nicht überanstrengen. Wir mussten Meister Oldive heilige Eide schwören, dass wir auf deine Gesundheit achten würden. Selbst so harte Köpfe wie den deinen muss man nach einem derart schweren Sturz schonen. Ich hatte eigentlich vor, mit dir von Ruatha aus nach Nabol zu wandern...« - Sebell runzelte entrüstet die Stirn, als Piemur loslachte -, »aber nun wird dich N’ton im Morgengrauen ein Tal von Nabol entfernt absetzen. Von dort aus treiben wir dann eine kleine Viehherde zum Festplatz, um sie zu verhökern.«
»Warum?«, fragte Piemur ruhig. Er hatte die bittere Erfahrung gemacht, dass ein Zuviel an Diskretion nur schadete. Diesmal wollte er genau wissen, woran er war.
»Aus zwei Gründen«, antwortete Sebell ohne das geringste Zögern. »Wenn es tatsächlich stimmt, dass Nabol mehr Feuerechsen besitzt als...«
»Das also war gemeint...«, warf Piemur ein.
»Wie bitte?«
»Bei der Gegenüberstellung hörte ich ein Gespräch mit an, das Baron Oterel mit einem Unbekannten führte. Dabei fielen die Worte: ›Meron bekommt mehr, als ihm zusteht, und wir gehen leer aus.‹ Das ergab damals keinen Sinn für mich; heute nehme ich an, dass sich die beiden über Feuerechsen unterhielten, oder?«
»Sehr wahrscheinlich...« Sebell runzelte die Stirn. »Aber es wäre mir lieb gewesen, wenn du das Gespräch schon eher erwähnt hättest.«
»Ich war mir nicht im Klaren, was Sie hören wollten. Außerdem verstand ich den Sinn der Diskussion nicht«, verteidigte sich Piemur.
Der Geselle lächelte ihm beruhigend zu. »Schon gut, dich trifft keine Schuld. Aber jetzt weißt du Bescheid. Fest steht, dass Baron Meron von Kylara die ersten Feuerechsen vor knapp vier
Planetenumläufen erhielt. Diese Tiere könnten sich inzwischen einmal, im günstigsten Falle zweimal, gepaart haben. Aber die Eier, die Meron an seine Anhänger verteilt, sind so zahlreich, dass wir uns ihre Herkunft nicht erklären können. Der zweite Punkt betrifft die Waren, die ständig auf die Burg geliefert werden -
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