Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow
vorgeschlagen habe?«
»Die Angeborenen könnten noch etwas anderes anzetteln«, sagte Ritor langsam. »Sie brauchen ihn nicht unbedingt – den Drachen. Denn was werden sie hinterher mit ihm anfangen … nach dem Sieg? Es ist nicht einfach, einen Drachen zu töten. Es ist viel einfacher, die Feindschaft zwischen den Clans anzufachen … damit der Funke der Zwietracht entbrennt … dann braucht es nicht viel, um uns zu besiegen. Wir vernichten uns selbst gegenseitig. Ist nicht der Clan des Wassers jetzt schon bereit, sowohl uns wie auch euch in Stücke zu zerfetzen? Ist nicht der Clan der Schneeleoparden tief verfeindet mit den Tigern? Versucht nicht eben jener Clan des Wassers, die letzten Angehörigen vom Geheimen Clan aufzuspüren – und keiner weiß, weshalb?
Und stimmt es nicht, dass ihr keine Gelegenheit auslasst, um den Clan der Erde bis aufs Blut zu reizen?« Was er zuletzt gesagt hatte, klang zu scharf. Aber die Worte waren bereits ausgesprochen.
Sein Gegenüber schien jedoch nicht gekränkt.
»Lassen wir die Streitereien erst mal beiseite«, sagte er leichthin. »Wenn ich dich richtig verstanden habe, Ritor, bist du der Meinung, dass wir den Drachen brauchen?«
»Ja …« Hinterm Horizont grollte Donner, oder kam es Ritor nur so vor? »Um die Armada zurückzuschlagen … Um den Erschaffenen Drachen zu besiegen.«
»Das heißt, der Drache kann also zurückkommen.« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
»Wenn der Drache nicht kommt, geht unsere Welt unter.«
»Wie das?«
»Kriege …«
»Bisher haben wir alle Kriege aus eigener Kraft überstanden. Die Zeit der Drachen ist vorbei, Ritor.«
Was war mit dem Clan des Feuers los, jenen, die doch bis zuletzt zu den entthronten Herrschern der Welt gehalten hatten?
»Wir brauchen den Drachen«, sagte Ritor. »Und er … er wird kommen.«
Er war auf Häme gefasst, auf bittere Ironie, auf Vorwürfe. Schließlich wusste jeder, dass die Drachen für immer verschwunden waren.
Nicht zuletzt seinetwegen.
»Ich weiß«, sagte sein Gegenüber. »Du hast den letzten Drachen nicht getötet. Du hast ihn – oder sie? – verjagt, aber nicht getötet.«
Die Worte waren ausgesprochen. Ritor hörte, wie seine Gefährten hinter ihm anfingen sich zu bewegen. Nur der
Magier hielt still. Vielleicht weil er im Gegensatz zu den Kriegern und Kindern wusste, dass die Wahrheit stets mehrere Gesichter hat.
»Ja«, sagte Ritor leise. »Ich konnte ihn nicht töten, denn …«
»Ich weiß, ich weiß«, ließ sich der andere vernehmen, weich und murmelnd klang seine Stimme. »Du musst es nicht erklären. Du hast ihn laufen lassen … und jetzt wacht der letzte Drache wieder auf. Aber wir brauchen ihn nicht!«
»Er ist der Einzige, der unsere Welt verteidigen kann …«
»Verteidigen werden wir uns selbst! Ritor, wir werden nicht zulassen, dass er zurückkehrt. Wenn der Drache erwacht – erwacht auch der, der ihn erschlägt. Dieser jemand warst du, so war es seinerzeit. Und so wird es auch jetzt sein. Und wieder wird es Krieg geben, viel schrecklicher als der Kampf mit den Angeborenen, mit dem du uns jetzt Angst machst. Hast du alles vergessen, weiser Ritor? Oder nicht? Und doch hast du trotz alledem den Drachen gerufen, nicht wahr?«
»Den Drachen kann man nicht rufen, er kommt von selbst.«
»Aber dafür kann man denjenigen rufen, der den Drachen aufhält. Und das haben wir getan.«
Ritor spürte, wie Schatti stöhnte. Irgendetwas um sie herum hatte sich verändert.
Der Raum erzitterte, als die Kraft allmählich in die Welt zurückkehrte. Die Stunde des Grauen Hundes war zu Ende, die Magie erwachte. Auch wenn die Magie der Luft noch schwach war, denn bis zur Stunde des Offenen Himmels dauerte es noch lange.
Ritor spürte, wie zarte Windströme um seine Finger strichen, er hörte, wie hinter ihm in den Ritzen der Mauern die
Luft raunte. »Seltsam, so etwas von den Kindern des Feuers zu hören …«, flüsterte er.
»Hier ist nicht das Feuer!«, rief der Magier hinter ihm. »Ritor, hier ist nicht das Feuer!«
Ritor warf seine Arme hoch – streckte sie mit aller Kraft den verhüllten Gestalten entgegen.
Ein schwacher Windstoß ging durch den Saal. Er reichte gerade aus, um die Kapuzen, die tief über die Gesichter gezogen waren, nach hinten zu fegen. Mit Müh und Not gelang diese Kraftanstrengung.
Die Gesichter, in die sie nun blickten, waren bleich. Zu durchsichtig und zu rein für den Clan des Feuers.
»Verrat!«, schrie Ritor und fasste dabei, ohne
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