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Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow

Titel: Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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umgeben von einer Aureole spritzender Wassertropfen, den Körper des Magiers von der rechten Schulter bis zur linken Hüfte durchtrennte, dann erneut aufblitzte, hoch unter das Gewölbe des Saales schoss und als Nächstes auf ihn zustürzte. Nur weil der vom Magier beschworene Wind noch nicht abgeflaut war, verfehlte der Kämpfer vom Wasserclan Ritor um Haaresbreite. Die Wasserpeitsche, die sich aus der gegnerischen Hand dehnte, erzitterte, als sie sich den Weg in die fremde Sphäre suchte.
    Aber Ritor fiel schon.
    Luft schlug ihm ins Gesicht – zärtlich und verwirrt.
    Es ist nicht deine Stunde, Ritor, was tust du, Ritor?
    Er fiel aus zwanzig Mann Höhe. Unter ihm trudelte Taniels Körper. Jetzt kam der Junge zu sich – er breitete die Arme aus, lag in der Luft. Ein schwaches Leuchten umhüllte seine Gestalt, als er versuchte zu fliegen. Die glitzernden magischen Luftflügel blitzten hervor, versuchten sich aufzuspannen.
    »Nein!«, rief Ritor. Aber der Wind trug seinen Schrei davon.
    In der Stunde des Erwachenden Wassers vermochten nicht einmal die allerstärksten Magier der Luft zu fliegen. Aber Taniel glaubte zu fest an sich, an seine Kräfte, an das ihm eigene Element. Sein Alter kannte keine Kompromisse. Er glaubte so stark, dass Ritor für einen Moment das Gefühl hatte, der Junge würde es schaffen …
    Die Aura, die Taniel umgab, flackerte hell auf – und verlosch. Die Luftflügel öffneten sich nicht.
    Für Schmerz blieb keine Zeit. Auch Ritors Fall strebte dem Ende zu. Er schloss die Augen, spürte mit seinem ganzen Körper den Ozean aus Luft um sich herum, zog an den
zarten Fäden der Kraft, die kreuz und quer im Raum verliefen. Er würde sich keine Flügel erschaffen können. Aber es gab noch einen anderen Weg …
    Die Luft verdichtete sich unter ihm zu einem prallen Kissen, einer durchsichtigen Linse.
    Ein Kinderspiel, eine der ersten Übungen in der Kunst der Magie. Wer hält sich länger auf der unsichtbaren Stütze, wer springt höher, schaukelt weiter auf dem federnden Luftpolster? Wie konnte Taniel diese einfache Formel nur vergessen? Oder hatte er sie nicht vergessen, sondern nur die ernste, erwachsene Fertigkeit des Fliegens vorgezogen?
    Die Luftlinse zerplatzte beim Aufprall auf die Erde. Die vom Zauber zusammengehaltene Luft verflüchtigte sich erleichtert in alle Richtungen. Dennoch wurde Ritors Fall gebremst. Erst wurde er kurz in die Höhe gedrückt, schwankte auf der sich rasant auflösenden Stütze. Vom plötzlich auftretenden Druckgefälle verschlossen sich seine Ohren. Dann traf er auf Stein auf, jedoch ohne die vorherige tödliche Wucht.
    Er rollte einen Abhang hinunter, bis er sich mit tauben Fingern an den Zweigen der Büsche festkrallen konnte, die am Rand des längst ausgetrockneten Burggrabens wuchsen. Von dieser Seite aus war die Burg nicht angegriffen worden, der Graben war nicht verstopft von Erdigeln, sondern hatte seine ursprüngliche Tiefe bewahrt, und spitze Pfähle ragten aus dem Boden.
    Es war sehr still. Genauer gesagt – es schien, als ob rundum Stille herrschte. Nur das Blut in seinen Schläfen pfiff. Ritor stand auf, schluckte, öffnete den Mund, um zu gähnen. Der Druck auf den Ohren ließ nach.
    Taniels lebloser Körper lag ganz in der Nähe. Ein Blick genügte, um zu erkennen, dass der Junge tot war. Er war auf
einen Felsen geprallt, und in dem zertrümmerten, verbogenen Körper war kein Leben mehr.
    Dennoch ging Ritor zu ihm. Wenn er seinen Neffen schon nicht retten konnte, so wollte er doch wenigstens dessen Körper mitnehmen …
    Die Erde erzitterte unter seinen Füßen. Ein trübes Gewässer plätscherte und spritzte in kleinen Fontänen um seine Beine herum. Ritor legte den Kopf in den Nacken und sah, dass die Kinder des Wassers von oben durch das Loch in der Mauer auf ihn herabblickten.
    Verflucht sollten sie sein!
    Er lief los. Die Erde verwandelte sich mit jedem Schritt mehr zu einem nassen Brei, alles um ihn herum schwamm bereits. Aber er war schon weit, die Feinde konnten ihn unter dem schützenden Dach der Bäume nicht sehen.
    So einfach war es auch wieder nicht, den Besten aus dem Clan der Luft niederzustrecken. Selbst zu einer für ihn so ungünstigen Stunde.

2
    Viktor legte den rauchenden Hörer auf den Tisch. Alles ereignete sich wie in einem bösen Traum, in dem die normale Welt zusammenbricht, aber nicht auf einmal, sondern nach und nach und voller Hohn. Alles, was er anfasste, starb. Rohre platzten, Bildröhren explodierten, Telefone brannten

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