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Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow

Titel: Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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reingedrückt …«

    Er spürte etwas Kaltes und fuhr mit den Fingern über die ungleichmäßige Stelle, um herauszufinden, was es war. Ein Gewinde … ein zweites.
    Die Schraubkappe – war leer. Die Sicherung war nicht rausgesprungen, der ganze Sicherungseinsatz war ganz einfach verschwunden.
    Im Gegensatz zu seinem Bewusstsein wunderten sich seine Hände nicht. Langsam glitten sie von dem Verteilerkasten weg hinüber zur Klinke und öffneten die Eingangstür.
    Im Treppenhaus brannte Licht, als sei nichts passiert. Auf dem Boden, direkt an der Türschwelle, lag der Sicherungseinsatz. Also war er rausgefallen. Hatte sich rausgedreht. Zufällig. Von selbst. War das möglich?
    Nein.
    Viktor staunte über seine eigene Gelassenheit und hob das Teil auf. Sorgfältig schraubte er es hinein und drückte den Knopf. Gehorsam ging das Licht an, und aus dem Fernseher erklang etwas Modisch-Poppiges, etwas Russisches, Vertrautes.
    Eine weitere Unannehmlichkeit. Nach dem geplatzten Rohr, dem verstopften Abfluss, der explodierten Bildröhre und einer Reihe ähnlicher Missgeschicke. Höchstens ein bisschen merkwürdiger.
    Obwohl … in der Psychiatrie gibt es einen Fachausdruck für solche »unerklärlichen« Ereignisse, wenn ein Mensch hundertprozentig sicher ist, dass er etwas getan hat, was aber in Wirklichkeit nicht der Fall ist. Na ja, vielleicht war er abgelenkt gewesen, als er den Knopf das letzte Mal reindrückte, gestern Abend. Aber dann hätte das Licht ja nicht gebrannt. Oder hatten sogar die Elektronen daran geglaubt, dass die Sicherung eingeschaltet war?
    Er musste die Tür schließen.

    Er schob sie zu … und kurz bevor sie zufiel, klammerten sich Finger ganz unten um das Sperrholz. Blutverschmierte kleine Finger mit langen Nägeln, die von einem leuchtend goldenen Lack festlich glänzten, unpassend, aber auch schön neben dem frischen Blut.
    Er wusste, er müsste eigentlich erschrecken.
    Ob ihn seine tiefsitzende professionelle Routine schützte oder der Funken Ärger von eben noch nicht verglüht war, jedenfalls verspürte er keine Angst. Ebenso langsam und vorsichtig, wie er Minuten zuvor die Finger aus der nackten, wartenden Schraubkappe gezogen hatte, zog er jetzt die Tür wieder auf, und als die blutige Hand abrutschte, drängte er sich vorsichtig durch den Spalt.
    Sie lag auf der Fußmatte, die Knie gegen die Brust gepresst.
    Ein Teenager. Ein Mädchen, höchstens dreizehn Jahre alt, vielleicht sogar noch jünger.
    Ein Rotschopf. Die Haare ziemlich kurz und völlig zerzaust. Sie trug schwarze, enge Hosen und einen dunklen Pullover, der an der Seite aufgetrennt war.
    Sie hat viel Blut verloren, war Viktors erster Gedanke. Ein feines, sehr weißes Gesicht mit hohen Wangenknochen. Nicht totenähnlich, nicht kreidebleich, sondern weiß, richtig weiß.
    Bevor er sich über das Mädchen beugte, warf Viktor einen Blick ins Treppenhaus. Es war niemand zu sehen und kein Laut zu hören. Als ob das ganze Haus schon vor langer Zeit ausgestorben und das blutende Mädchen praktisch aus dem Nichts vor seiner Tür gelandet wäre.
    Das Mädchen stöhnte hörbar.
    Viktor hob den federleichten Körper hoch und bemerkte dabei, dass sich nicht sehr viel Blut unter der Tür angesammelt hatte. Aber diese Gesichtsfarbe – woher rührte sie? Es
gab auch keine Blutspuren, der Treppenabsatz war sauber, die Verletzte schien buchstäblich auf seine Türschwelle herabgefallen zu sein.
    Wieder drängte er sich seitlich durch den Türspalt, zurück in die Wohnung, als ob er Angst hätte, die Tür weiter zu öffnen. Der Fernseher im Zimmer murmelte vor sich hin, immerzu irgendetwas Fröhliches, Beruhigendes.
    »Tut es weh?«, fragte Viktor. Er rechnete nicht mit einer Antwort, aber er hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen, während er das Mädchen vom Flur ins Wohnzimmer trug und aufs Sofa legte, das – zum Teufel damit – von einem abgewetzten weißen Überzug bedeckt war und augenblicklich braune Flecken bekam. »Gleich …«
    Als Erstes musste er einen Krankenwagen rufen. Er hegte keine Illusionen, was ein baldiges Eintreffen seiner Kollegen anging, umso wichtiger war es, den Notdienst so schnell wie möglich zu benachrichtigen.
    Dann musste er das Mädchen verbinden. Und die Tür schließen!
    »Das ist nicht nötig«, sagte das Mädchen unerwartet laut. »Ruf nicht an … Viktor.«
    Er ließ sich nicht stören, wunderte sich nicht einmal, dass sie seinen Namen kannte. Er begriff instinktiv, dass heute so eine Nacht war, in der er

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