Drachenreiter
auf Lungs warmen Schuppen, während ihre Ohren nervös zuckten und ihr Blick von einer Säule zur nächsten huschte.
»Bäume«, flüsterte sie Lung zu, »sie haben Steinbäume hier.« Als sie vor dem Mönch stehen blieben, verbeugte er sich vor ihnen.
»Darf ich vorstellen«, sagte Barnabas Wiesengrund, »das ist der ehrwürdige Lama dieses Klosters. Er ist der ranghöchste Mönch hier.«
Der Lama begann mit leiser Stimme zu sprechen. »Herzlich willkommen im Kloster der Mondsteine«, übersetzte Fliegenbein für Ben. »Wir freuen uns sehr. Die Ankunft eines Drachen kündigt nach unserem Glauben ein großes, glückliches Ereignis an. Aber ebenso groß ist unsere Freude darüber, dass wir nach langer Zeit endlich wieder einen Drachenreiter unter unserem Dach begrüßen können.«
Überrascht sah Ben von dem Mönch zum Professor.
Barnabas Wiesengrund nickte. »Ja, ja, du hast richtig verstanden. Der Drachenreiter, dessen Grabmal uns Subaida gezeigt hat, war hier. Mehrmals sogar, wenn ich meinen Freund richtig verstanden habe. Sie haben sogar ein Bild, das an ihn erinnert. Es hängt dort drüben.«
Ben drehte sich um und ging auf die Wandnische zu, auf die der Professor zeigte. Zwischen zwei Regalen hing ein großes Rollbild, auf dem ein fliegender Drache mit einem Jungen auf dem Rücken zu sehen war. Hinter ihm saß eine kleine Gestalt.
»Schwefelfell!«, rief Ben und winkte das Koboldmädchen aufgeregt zu sich. »Guck mal, die sieht fast so aus wie du, oder?«
Auch Lung trat näher. Neugierig schob er seinen Kopf über Bens Schulter. »Wirklich, Schwefelfell«, sagte er verblüfft. »Diese Gestalt sieht aus wie du.«
»Na ja«, Schwefelfell zuckte die Achseln, aber sie konnte ein stolzes Lächeln nicht verbergen, »Drachen hatten schon immer eine Vorliebe für Kobolde. Das ist doch bekannt.«
»Ein Unterschied fällt mir auf«, wisperte Fliegenbein von Bens Schulter. »Dieser hat vier Arme.«
»Vier Arme?« Schwefelfell trat noch etwas näher an das Bild heran. »Stimmt«, murmelte sie. »Aber ich glaub, das hat nichts zu bedeuten. Guckt euch doch mal um. Auf den Bildern haben fast alle jede Menge Arme.«
»Stimmt«, sagte Ben und blickte sich um. Viele der Bilder an den Wänden zeigten Gestalten mit mehreren Armen. »Was bedeutet das wohl?«
»Kommt her und seht euch das an!«, rief der Professor in diesem Moment. »Der Drachenreiter hat damals etwas hier gelassen!«
Der Lama führte sie zu einem kleinen hölzernen Schrein, der in einer Nische neben dem Altar der Gebetshalle stand.
»Das«, übersetzte Fliegenbein wieder, »sind die heiligen Mondsteine, die der Drachenreiter dem Kloster geschenkt hat. Sie bringen Glück und Gesundheit und halten böse Geister fern von diesem Tal.«
Die Steine waren weiß wie Milch und kaum größer als Bens Faust. In ihrem Innern war ein Leuchten, als wäre das Mondlicht darin gefangen.
»Zerschlage das Licht des Mondes!«, flüsterte Ben und sah Lung an. »Erinnerst du dich? Meinst du, der Dschinn hat einen von den Steinen da gemeint?«
Der Drache wiegte nachdenklich den Kopf. Barnabas Wiesengrund übersetzte dem Lama Bens Worte. Der Mönch lächelte und sah den Jungen an.
»Er sagt«, raunte Fliegenbein Ben ins Ohr, »dass er nach dem Morgenmahl dem Drachenreiter zurückgeben wird, was sein ist. Damit er damit tun kann, wozu er hergekommen ist.«
»Heißt das, er gibt mir einen von den heiligen Steinen?« Ben sah erst Lung und dann den Lama an. Der Mönch nickte.
»Ja, ich glaube, du hast ihn richtig verstanden«, sagte Barnabas Wiesengrund.
Ben machte eine verlegene Verbeugung vor dem Mönch. »Danke. Das ist wirklich sehr nett. Aber meinen Sie nicht, das Glück geht verloren, wenn ich ihn zerschlage?« Der Professor übersetzte dem Lama Bens Frage. Der Mönch lachte laut. Er nahm Ben bei der Hand und zog ihn mit sich.
»Drachenreiter«, übersetzte Fliegenbein, »kein Stein kann so viel Glück einschließen, wie der Besuch eines Drachen bringt. Aber du musst fest zuschlagen, damit der Mondstein auch wirklich zerbricht, denn die, die du damit rufen willst, schlafen gern und lange. Nach dem Frühstück zeige ich dir den Kopf des Drachen. «
Ben blickte den Mönch erstaunt an. »Haben Sie ihm das alles erzählt?«, fragte er den Professor mit leiser Stimme. »Das, was der Dschinn erzählt hat, mein ich?«
»Das musste ich nicht«, flüsterte Barnabas Wiesengrund zurück. »Er wusste schon alles. Du scheinst eine Prophezeiung nach der anderen zu erfüllen.
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