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Drachenreiter

Titel: Drachenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Funke
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Stirn sah sie auf den Fluss hinunter. »Und ich wette trotzdem, dass das Ungeheuer irgendwo da unten ist und uns belauert«, sagte sie.
    »Ach was, er steckt im Sand«, sagte Ben. »Ganz bestimmt. Du hättest diesen Zwerg hören sollen! Der hat bestimmt nicht gelogen. Komm!« Er stieß sie mit dem Ellbogen an. »Erzähl mir noch was über diesen Tempel.«
    »Welchen?«, murmelte Guinever ohne ihn anzusehen.
    »Über den, den deine Mutter sich ansieht«, antwortete Ben. »Den für die wütenden Götter.«
    »Den Gönkhang«, murmelte Guinever. »So heißt er. Na gut, wenn du unbedingt willst ...«
     
    Als Barnabas Wiesengrund mit Lung und dem Lama die Treppen der großen Gebetshalle herunterkam, fand er Ben und seine Tochter immer noch auf der Mauer, zwischen sich die schnarchende Lola Grauschwanz und Fliegenbein, der sich gerade etwas die Beine vertrat. Die Kinder waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie die anderen gar nicht kommen hörten.
    »Ich störe euch zwei ungern«, sagte Barnabas Wiesengrund und trat hinter die beiden. »Aber Ben kann jetzt darangehen, das Mondlicht zu zerschlagen. Der Lama hat ihm einen der heiligen Steine mitgebracht.«
    Der Mönch öffnete die Hände und zeigte den weißen Stein, der auch im Tageslicht leuchtete. Ben stieg von der Mauer und nahm ihn vorsichtig entgegen.
    »Wo ist Schwefelfell?«, fragte Lung und sah sich suchend um.
    »In meinem Bett«, antwortete Guinever. »Voll gefressen und schnarchend.«
    »So, so.« Ihr Vater grinste. »Und was hat unsere Rattenfreundin berichtet?«
    »Keine Spur von Nesselbrand«, antwortete Ben und betrachtete den Mondstein. Im Sonnenlicht erschien er ihm dunkler.
    »Na, das ist doch beruhigend.« Barnabas Wiesengrund sah seine Tochter an. »Oder nicht, Guinever?«
    Guinever runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht.«
    »Na, kommt«, sagte Barnabas Wiesengrund und nahm seine Tochter und Ben beim Arm. »Wir holen Schwefelfell und Vita. Und dann geht der Drachenreiter an die Ergründung des Rätsels, das der Dschinn ihm gestellt hat. Ich kann euch sagen, ich war schon lange nicht mehr so gespannt. Wer wohl erscheint, wenn Ben den Stein zerschlägt?«

    ARBEIT FÜR KIESBART  
     
    Lola Grauschwanz hatte sich geirrt. Nesselbrand war ganz nah. Tief eingegraben in den Schlamm lauerte er auf dem Grund des Indus, genau dort, wo der Schatten des Klosters auf das Wasser fiel. Der Fluss war so tief an dieser Stelle, dass nicht einmal ein Schimmer von Nesselbrands goldenen Schuppen an die Oberfläche drang. Geduldig lag er da und wartete auf die Rückkehr seines Panzerputzers.
    Bevor Nesselbrand im Schutz der Nacht im Fluss untergetaucht war, war Kiesbart ans Ufer gesprungen und hatte sich dort zwischen ein paar Grasbüscheln versteckt. Und als einen langen Tag und eine halbe Nacht später Lung aus den Bergen geflogen kam und zwischen den weißen Mauern des Klosters landete, machte der Steinzwerg sich auf den Weg. Zwischen den Feldern hindurch stapfte er, vorbei an den Hütten, bis er endlich vor dem Berg stand, an dessen Hang das Kloster lag. Dann war Kiesbart geklettert.
    Der Berg war hoch, sehr hoch, aber Kiesbart war schließlich ein Steinzwerg. Er liebte das Klettern fast so sehr wie das Gold. Das Gestein des Berges wisperte und flüsterte unter Kiesbarts Fingern, als hätte es nur auf ihn gewartet. Es erzählte ihm von riesigen Höhlen mit Säulen aus Edelstein, von Goldadern und seltsamen Wesen, die in seinem Inneren wohnten. Kiesbart kicherte vor Glück, als er den steinigen Hang hinaufstieg. Er hätte ewig so weiterklettern können, aber als die Morgendämmerung über die Gipfel kroch, zog er sich die flache Mauer hoch, die das Kloster umgab, und lugte vorsichtig hinunter auf den Hof.
    Kiesbart kam gerade recht, um Lung mit seinen Freunden im Dükhang verschwinden zu sehen. Der Zwerg folgte ihnen sogar die Treppe hinauf, aber die schwere Eingangstür der Halle war schon zugefallen, als er oben ankam, und sosehr er auch versuchte, sie mit seinen kräftigen, kurzen Fingern einen Spaltweit zu öffnen - sie rührte sich nicht.
    »Gut«, murmelte der Zwerg und sah sich um. »Pech gehabt, aber sie müssen ja irgendwann wieder herauskommen.« Er sah sich auf dem Hof nach einem Versteck um, von dem aus er ungestört die Treppe und den Hof überblicken konnte. Es war nicht schwer, ein passendes Loch in den alten Mauern zu finden.
    »Wunderbar«, flüsterte Kiesbart, als er sich zwischen die Steine zwängte. »Wie gemacht für mich.« Und dann wartete

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