Drachenritter 02 - Der Drachenritter
Möbelstücke standen, wie es im Mittelalter üblich war, an den Wänden.
Dieser Raum war voller Personen, allesamt menschlich, jung, gutaussehend und mit kostbaren, bisweilen bizarren Kostümen bekleidet. Sie standen in Grüppchen herum, anscheinend in Unterhaltungen vertieft; anders als die Leute, denen sie bislang begegnet waren, nahmen diese jedoch Notiz von ihnen, brachen die Unterhaltungen ab und starrten die vier Männer und Aragh unverhohlen an.
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»Nicht stehenbleiben!« kommandierte halblaut Jim, worauf die fünf Eindringlinge weiterstürmten, ohne die Blicke, Kommentare und das vereinzelt zu vernehmende Gelächter um sie herum zu beachten; als hätten sie einen dringenden Auftrag auszuführen, drängten sie bis zum Fuß der Treppe zielstrebig vorwärts, die an der rechten Wand in die Höhe führte.
In dem Moment, als klar wurde, daß sie nach oben wollten, erlahmte die Aufmerksamkeit der Anwesenden. Es war, als wären sie dadurch, daß sie ihr Ziel zu erkennen gegeben hatten, nicht mehr von Interesse und als wäre es besser, ihnen keine Fragen zu stellen.
Schweigend stiegen sie die Treppe empor; das Klappern ihrer Stiefel auf den steinernen Stufen war der einzige Laut, der zu vernehmen war. Aragh bewegte sich wie immer geräuschlos.
Nach vielen Stufen entschwanden sie den Blicken der Zurückbleibenden durch eine Öffnung in der Decke und stiegen weiter die Wendeltreppe im Innern des Turms empor. Nun blickten sie auf einen anderen Raum hinunter, der ebenso kostbar möbliert war wie der vorige – in einer Zimmerecke waren sogar ein kleiner Teich mit einem Springbrunnen untergebracht –, allerdings hielt sich niemand darin auf.
Sie stiegen weiter. Jim hatte schon in früher Kindheit herausgefunden, daß er von der Höhenangst, unter der so viele zu leiden hatten, vollständig verschont geblieben war. Als Junge hatte er sich diesen Umstand zunutze gemacht und vor seinen Freunden geprahlt, indem er dorthin geklettert war, wohin sie ihm nicht zu folgen wagten.
Er hatte erst damit aufgehört, als ihm ein Freund, der es Jim trotz seiner Angst hatte gleichtun wollen, auf einen nur wenige Zentimeter breiten Sims gefolgt war, wo er in Panik geraten war und beinahe in den Tod gestürzt wäre.
Ernüchtert von der Erkenntnis, daß er keinen leichtsinnigen Gebrauch von seiner besonderen Begabung machen durfte, hatte er sie beinahe vergessen gehabt. Nur wenn er mit anderen zusammen war, die unter Höhenangst litten, erinnerte er sich wieder daran.
Infolgedessen hatte er instinktiv die Außenseite der Stufen übernommen, wo er die Füße nur Zentimeter vom Rand der grauen Steinstufen entfernt setzte, die kein Geländer hatten und unmittelbar bis zu der Decke des vorigen Stockwerks abfielen.
Zunächst ging alles gut. Doch dann fielen die unteren Etagen zurück, und es begann der lange Anstieg zu der kreisförmigen Decke weit in der Höhe, welche den Boden der obersten Etage bildete. Nun wurde der Abgrund neben seinem rechten Stiefel immer tiefer. Im stillen beglückwünschte er sich dazu, daß er von Anfang an diese Position eingenommen hatte, so daß seinen Freunden die Höhenangst erspart geblieben war, die sie ansonsten möglicherweise befallen hätte.
Wenn er seine Gefährten anschaute, sah er, daß seine Entscheidung richtig gewesen war. Brian, der neben ihm ging, klammerte sich an der Wand fest, in der die Stufen verankert waren. Giles und Dafydd, die hinter ihnen kamen, hielten sich dicht beieinander und in der Nähe der Wand. Auch Aragh, der den Abschluß bildete, war der Wand erheblich näher als dem Innenrand der Stufen.
Trotzdem stiegen sie immer höher, und da Jim nach wie vor keine Mühe damit hatte, obwohl der Abgrund neben seinem rechten Stiefel ständig tiefer wurde, blickte er die schmale Wendeltreppe hinauf zum ersten Obergeschoß des Turms. Auf einmal wurde ihm bewußt, was für eine fragile Konstruktion die freitragende Treppe darstellte.
Die Außenseiten der Stufen mußten tief in der Wand verankert sein, um ihr Gewicht auszuhalten; gleichwohl war es nicht ausgeschlossen, daß eine Steinplatte brach und nachgab, woraufhin jeder, der gerade auf ihr stand, in die Tiefe gestürzt wäre und mit Sicherheit den Tod gefunden hätte.
Bei dieser Vorstellung verspürte selbst er einen leichten Schwindel, als er die scheinbar endlose, an den mittlerweile kahlen Wänden des Turms entlangführende Wendeltreppe hinaufblickte. Allerdings änderte er nun seine Meinung, was die Fragilität der
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