Drachenritter 02 - Der Drachenritter
fortgeschleppt hätten, um… äh… um sich an ihnen gütlich zu tun.«
»Ich glaube, an den meisten dieser Geschichten ist nicht viel Wahres daran«, erwiderte Jim grimmig, »oder falls doch, so handelte es sich um ein kleines Kind oder etwas, das nicht schwerer war als hundert Pfund. Glaubt mir, ich weiß, wozu ein Drache imstande ist; mit dem Gewicht eines Erwachsenen auf dem Rücken könnte ich mich unmöglich in der Luft halten.«
Er wandte sich an Brian.
»Aber ich will Euch sagen, wie der Plan weitergeht«, meinte er. »Hier habe ich nicht genügend Platz, um mich in einen Drachen zu verwandeln. Deshalb muß ich in die Luft springen und mich im Fallen verwandeln.«
Aragh grinste. Brian runzelte die Stirn, und Giles Augen waren so groß wie Untertassen.
»James«, sagte Giles, »ist das immer so bei Euch? Verwandelt Ihr Euch in einen Drachen, wenn Ihr in der Luft seid?«
»Na ja, eigentlich nicht«, antwortete Jim, »aber ich glaube, mir wird ausreichend Zeit bleiben, mich zu verwandeln und wieder hochzufliegen, bevor ich unten ankomme und mir weh tue.«
Jim hielt inne, denn ihm wurde bewußt, daß die Formulierung ›bevor ich mir weh tue‹ eine maßlose Untertreibung darstellte.
»In Drachengestalt fliege ich vorbei und trage Euch nacheinander über die Stufe«, sagte Jim. »Bis auf Aragh müßt Ihr aber folgendes tun. Nehmt den Gürtel ab und schlingt Euch beide Enden um die Handgelenke, damit sie Euch nicht entgleiten; und haltet den Gürtel über Euren Kopf, damit ich ihn mit den Klauen meiner Hinterbeine ergreifen kann. Ist das klar?«
»Wenn Ihr meint, ob wir Euch verstanden haben, James«, antwortete Brian, »so glaube ich schon. Und den Rest kann ich mir denken. Ihr wollt uns also einen nach dem anderen auf den Absatz tragen? Habe ich recht?«
»So ist es«, antwortete Jim.
»Nun«, meinte Brian, »seit ich zwölf bin, beschäftige ich mich mit der Falknerei, da werde ich wohl wissen, wie ich mich in einem solchen Fall zu verhalten habe.«
»Ich möchte, daß Ihr noch etwas für mich tut«, fuhr Jim fort. »Damit ich genügend Platz habe, sollte derjenige, der als nächster an der Reihe ist, allein auf der Stufe stehen, während die anderen mindestens drei Stufen weiter unten warten. Bitte stellt Euch möglichst nahe an den Außenrand der Treppe. Ich brauche an der Mauerseite Platz für meinen Flügel. Stellt Euch geduckt hin, mit sprungbereit eingeknickten Beinen. Und wenn Ihr spürt, daß ich den Gürtel über Eurem Kopf gepackt habe, dann springt! Springt, als wolltet Ihr die vor Euch befindliche Stufe aus eigener Kraft überwinden, ohne meine Mithilfe. Habt Ihr mich verstanden?«
Alle drei Männer nickten.
»Da ist noch etwas«, sagte Jim. »Ich muß mich ausziehen, wenn ich mich in einen Drachen verwandeln will – sonst würde ich die Kleider sprengen. Und das werde ich jetzt tun.«
Tatsächlich hatte er bereits damit begonnen, sich zu entkleiden.
»Nehmt meinen Gürtel«, sagte Jim und reichte ihn Dafydd, »und legt Aragh eine lose Schlinge um Bauch und Rücken, so daß die Schnalle oben, unmittelbar hinter den Schultern zu liegen kommt. Dann kann ich ihn daran packen und über die Stufe heben. Außerdem könntet Ihr, Aragh, mir dadurch helfen, daß Ihr gleichzeitig nach vorne und in die Höhe springt.«
»Das kann ich gerne tun«, antwortete Aragh sarkastisch. »Wenn's drauf ankäme, würde ich es auch allein schaffen, ohne Eure Hilfe – aber es wäre knapp, sehr knapp. Ich glaube allerdings, Ihr habt noch etwas vergessen, James. Der Gürtel wird Euch wenig nützen, wenn er mir flach an den Schultern anliegt. Ihr solltet Eure Krallen besser gleich in meinen Pelz versenken, was Ihr sowieso tun würdet, wenn Ihr den Ledergürtel packen wolltet.«
»Zwei von uns könnten sich auch rechts und links neben Aragh kauern«, sagte Brian, »sich soweit ducken, daß sie nicht über seinen Rücken hinausschauen, und den Gürtel hochdrücken, damit er vom Rücken absteht und Ihr ihn ergreifen könnt. Was haltet Ihr davon, James?«
»Der Vorschlag klingt gut«, antwortete Jim. Mittlerweile war er fast nackt und spürte, wie unangenehm kalt es im Turm war. Er hatte eine Gänsehaut, und die Vorstellung, von der Treppe hinunterzuspringen und sich während des Fallens zu verwandeln, tat ein übriges dazu, daß ihm ein wenig schummerig zumute war. Höhenangst hatte er keine – die Tatsache, daß er das Schicksal herausforderte, ließ sich allerdings nicht so leicht abtun.
Nichtsdestotrotz
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