Drachenritter 02 - Der Drachenritter
sagte Jim. »Dann also los.«
Sie kletterten weiter, diesmal jedoch langsamer als zuvor. Brian hatte mit seiner Bemerkung über die Geschwindigkeit des Kletterns recht gehabt. Auf einer solchen Treppe konnte man wirklich leicht außer Puste kommen. Hätte es sich um Stufen gehandelt, wie Jim sie aus den Gebäuden des zwanzigsten Jahrhunderts gewohnt war, wäre es nicht so schlimm gewesen. Diese Stufen jedoch mit ihrer Breite von etwa fünfundvierzig Zentimetern waren gut einen halben Meter hoch, so daß es nicht leicht war hinaufzusteigen, zumal dann, wenn man sich beeilte.
Jetzt, da sie langsamer gingen, bereitete der Aufstieg keine allzu große Mühe mehr. Sie hatten etwa die Hälfte der Entfernung zwischen dem Boden und dem ersten der oberen Stockwerke des Turms zurückgelegt, als Jim etwas sah, das ihn unvermittelt stehenbleiben ließ. Brian hielt neben ihm an, und die weiter hinten Gehenden blieben ebenfalls stehen.
»Was ist los, James?« fragte Brian.
»Ich glaube, ich habe etwas gesehen«, antwortete Jim. »Ich gehe mal eben ein paar Stufen zurück.«
Er trat auf Araghs Stufe und blickte von dort nach oben. Der Blickwinkel war immer noch schlecht, deshalb stieg er noch ein halbes Dutzend Stufen hinunter. Die anderen starrten verblüfft auf ihn hinab – alle bis auf Aragh, der zu grinsen schien, als amüsiere es sich insgeheim über einen Witz.
Von der Stufe aus, auf der er jetzt stand, hatte er eine erheblich bessere Sicht nach oben. Was ihm ins Auge gefallen war, das war die Farbe Rot. Jetzt sah er sie ganz deutlich. Die letzte Stufe vor dem obersten Treppenabsatz einschließlich der darunter befindlichen Stützpfeiler leuchtete durch und durch rot. Genaugenommen ging von dem ganzen Gebilde ein gedämpftes Leuchten aus, als wäre es aus einem Stück aus mattem Rubin gehauen.
»Ich habe lediglich mittels Magie nachgeschaut, ob Malvinne irgendwelche Fallen für unerwünschte Eindringlinge eingerichtet hat«, sagte Jim, als er sich wieder seinen Gefährten zugesellte, »und bin fündig geworden. Und zwar handelt es sich um die Stufe vor dem Absatz.«
Sie kletterten weiter, während Jim intensiv über die letzte Stufe nachdachte. Er vermutete, daß die Stufe und die Stützpfeiler mittels Scharnieren an der Wand befestigt waren und daß sie bei zusätzlicher Belastung wegklappen würden, so daß der Pechvogel, der sie betreten hatte, auf die Decke des weit unten befindlichen Stockwerks stürzen würde.
Dabei ließ er es bewenden, bis sie unmittelbar vor der letzten Stufe standen; dann allerdings ergab sich eine weitere Schwierigkeit. Die Stufe, die für ihn nach wie vor rot hervorgehoben war, war anders als die übrigen Stufen. Sie war etwa zweieinhalb Meter tief. Das bedeutete, daß man sie aus dem Stand nicht würde überspringen können. Die Falle war komplizierter, als er gedacht hatte.
Jim ordnete eine Pause an.
»Es sieht so aus, als kämen wir hier nicht weiter«, sagte er grimmig. »Eine Berührung der Stufe könnte schon ausreichen, um in die Tiefe zu stürzen. Hat vielleicht jemand einen Vorschlag?«
Seine Gefährten gaben keinen Mucks von sich. Brian und Giles sahen, abgesehen von ihrer ungewöhnlichen Tiefe, eine ganz gewöhnliche Stufe vor sich. Dafydd musterte ebenfalls die Stufe, jedoch mit nachdenklicherer Miene. Aragh betrachtete sie einfach mit leicht vorgestrecktem Kopf, geschlossenem Maul und aufgestellten Ohren.
»Schande über uns, wenn wir hier kehrtmachen sollten!« bemerkte Giles nach einer Weile.
»Ja«, sagte Brian.
Schließlich hatte Jim eine Idee. Nicht, daß sie ihm sonderlich gefallen hätte, aber etwas anderes fiel ihm einfach nicht ein. Er räusperte sich, um die Aufmerksamkeit der anderen auf sich zu lenken.
»Ich habe einen Plan«, sagte er. »Er gefällt mir allerdings nicht besonders, und ich glaube, Euch wird er auch nicht gefallen.«
»Gefallen hat kaum etwas mit Pflicht zu tun«, sagte Sir Brian, und Giles bekundete halblaut seine Zustimmung. Dafydd nickte bloß, und Aragh schaute ihn mit seinen gelben Augen an.
»Ich kann mich in einen Drachen verwandeln und über die Stufe hinwegfliegen«, sagte Jim. »Das Problem dabei ist, Euch auf die andere Seite zu befördern. Schließlich seid Ihr zu schwer, als daß ich mit Euch darüber hinwegfliegen könnte…«
»Stimmt das wirklich?« fragte Giles. »Vergeßt nicht, James, daß Ihr ein sehr großer Drache seid. Außerdem habe ich schon öfters davon gehört, daß Drachen Menschen gepackt und sie
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