Drachenritter 02 - Der Drachenritter
Treppe betraf. Er bemerkte nämlich, daß die Stufen über die ganze Länge der Treppe hinweg von dicken, dreieckigen Trägern gestützt wurden, die aus der Wand vorsprangen; jeder einzelne Träger war an der Wand etwa zwei Meter breit und verjüngte sich nur wenig bis zum äußeren Ende der jeweiligen Stufe.
Aus diesem Blickwinkel betrachtet, mochte die Treppe zwar fragil erscheinen, aber sie war es nicht. Vielmehr war sie äußerst stabil gebaut.
Brian unterbrach seinen Gedankengang.
»Wir sind bisher recht rasch geklettert«, keuchte Brian. »Vielleicht sollten wir eine kurze Pause einlegen und dann langsamer weitergehen, da offenbar noch so viele Stufen vor uns liegen.«
»Natürlich«, sagte Jim und blieb stehen.
Zu seiner Überraschung hatte auch er atemlos geklungen. Vor lauter Nachdenken hatte er gar nicht bemerkt, wie sehr ihnen der Aufstieg zu schaffen machte; und das war wahrscheinlich seine Schuld. Da er so mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt gewesen war, war er unbewußt immer schneller geworden. Es gab keinen Grund, die Treppe hinaufzurennen. Hätte Brian ihn nicht darauf aufmerksam gemacht, so hätte es bestimmt nicht mehr lange gedauert, bis auch er gemerkt hätte, daß ihm der Atem ausging und daß er müde wurde.
Brian lehnte schweratmend an der Wand. Unter ihm lehnte Giles in der gleichen Weise an der Wand, und Dafydd hatte, anstatt sich an Giles anzulehnen, seinen langen Arm an dem Ritter vorbeigestreckt und sich ebenfalls an der Mauer abgestützt. Aragh lehnte sich nirgendwo an, aber das Maul stand ihm offen, und die Zunge hing ihm heraus.
Jim wunderte sich, wie er es geschafft hatte, seine Gefährten so zu erschöpfen, denn er wußte, daß sie in wesentlich besserer körperlicher Verfassung waren als er selbst. Das zeigte wieder einmal, daß man sich mit geistiger Konzentration tatsächlich bis zu einem gewissen Grad von physischen Beschwernissen ablenken konnte – es sei denn natürlich, seine magische Begabung war mit im Spiel, und er hatte seine Lungen unbewußt und auf magische Weise angewiesen, ihn mit mehr Sauerstoff zu versorgen.
Das erschien ihm als zu weit hergeholt. Allerdings brachte ihn diese Überlegung auf neue Gedanken. Er ärgerte sich, daß er nicht schon früher in diese Richtung gedacht hatte. Malvinne ließ die Treppe offenbar nicht bewachen. Möglicherweise verließ er sich darauf, daß seine Untergebenen es nicht wagen würden, die Treppe ohne besondere Erlaubnis zu erklimmen. Aber würde es ein solcher Magier dabei bewenden lassen?
Bestimmt nicht, sagte sich Jim.
Irgendwo dort oben würde Malvinne für jeden leichtsinnigen oder unwillkommenen Eindringling magische Fallen vorbereitet haben. Diese Erkenntnis deprimierte Jim zunächst, denn er wußte sehr wohl, daß Malvinne Fallen errichten konnte, die sein magisches Begriffsvermögen bei weitem überstiegen. Es sei denn, Malvinne vertraute darauf, daß potentielle Eindringlinge zu naiv und unerfahren wären, die Fallen zu erkennen.
Allerdings vermochte Jim sich mit seinen geringen magischen Kenntnissen nicht vorzustellen, welcher Fallen sich Malvinne mit seinem überlegenen Wissen bedient haben mochte.
Das stellte ein kniffliges Problem dar. Unter Mühen hatte er gelernt, daß er sich Ausgangs- und Endpunkt genau vorstellen mußte, wenn er eine magische Veränderung herbeiführen wollte. Da er keine Ahnung hatte, wie Malvinnes Fallen beschaffen waren, konnte er dieses Verfahren auch nicht darauf anwenden. Die Zwickmühle, in der er sich befand, bestand darin, daß er etwas wissen mußte, um etwas in Erfahrung zu bringen. Es mußte doch möglich sein, dieses Problem zu umgehen…
Plötzlich hatte er eine Idee. Eilends schrieb er an die Innenseite seiner Stirn:
ICH/SEHE -› MAGIE ÜBER MIR IN ROT
Wie gewöhnlich erhielt er keine Rückmeldung, ob sein Versuch Erfolg gehabt hatte. Bislang konnte er nur dann sicher sein, daß es geklappt hatte, wenn eine unmittelbare Veränderung eintrat, zum Beispiel dann, wenn er sich in einen Drachen verwandelte. Auch in Melusines See war es so gewesen, als es ihm gelungen war, im Wasser zu atmen. So aber blieb er im Zweifel, ob sein Zauberversuch erfolgreich gewesen war. Wenn er in die Höhe schaute, nahm er jedenfalls keine Veränderung wahr.
»Wir sollten allmählich weitergehen«, sagte Brian.
Der Ritter war wieder zu Atem gekommen, und auch Giles und Dafydd atmeten merklich leiser als zuvor. Auch Aragh hatte aufgehört zu hecheln.
»Ihr habt recht«,
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