Drachenritter 02 - Der Drachenritter
Außerdem stammte das Licht weder von der Sonne noch vom Mond oder von den Sternen. Es war ein seltsames, unnatürliches Licht, durchaus passend für einen unterirdisch gelegenen Ort.
Wie Gefangene in einem dreiseitigen Käfig standen sie dicht beieinander und blickten auf den Höhlenboden hinunter. Es wimmelte dort von Menschen, von Männern und Frauen in schwarzen Uniformen, die mit eigentümlichen, heftlosen Messern von der Länge eines Schwertes und runden, an Zielscheiben erinnernden Schilden bewaffnet waren. Alle waren sie in dem unnatürlichen Licht deutlich zu erkennen.
Wenn Jim ihnen unmittelbar ins Gesicht blickte, erkannte er keinen von ihnen wieder, doch wenn er den Blick schweifen ließ, meinte er bisweilen, aus den Augenwinkeln wahrzunehmen, wie das Gesicht, das er soeben angeschaut hatte, sich von einem Moment zum anderen veränderte und zum Gesicht eines Menschen wurde, den er einmal gekannt und gemocht, wenn nicht gar geliebt hatte. Alle Gesichter aber schienen erstarrt in einer Grimasse des Hasses, der Angst und des Entsetzens.
Die einzige freie Stelle lag etwa dreißig Meter entfernt von dem Absatz, auf dem sie standen, und zwanzig Meter entfernt von den vordersten der schwarzgekleideten Gestalten; diese Stelle war leer bis auf zwei gewaltige Thronsessel, auf denen zwei ebenso gewaltige Gestalten saßen.
Die eine war männlich, die andere weiblich. Beide trugen lose Gewänder, die ihnen von der Brust bis unter die Knie reichten. Die Unterarme ruhten auf den Armlehnen der Thronsessel. Abgesehen von ihrer Größe – Jim schätzte, daß sie mindestens sieben Meter groß waren – unterschieden sie sich von den Menschen vor allem aufgrund ihrer überlangen Hälse, die etwa anderthalb Meter zu ihrer gesamten Körperlänge beitrugen.
Der Kopf des Mannes war stattlich, mit dunklem, dicht am runden Schädel anliegendem Haar und durchdringenden Augen. Das Haar der Frau war ebenfalls schwarz und anliegend, und auf geheimnisvolle Weise war sie wunderschön.
Beide Gesichter waren ausdruckslos. Doch erst als Jim wieder auf die schwarzgekleidete Horde hinunterschaute, fiel ihm das Besondere an den beiden Gestalten auf den Thronsesseln auf.
Wie die Gesichter der übrigen Schwarzgekleideten schienen sich auch die Gesichter des Mannes und der Frau – wenn man sie denn als solche bezeichnen wollte – zu verändern; die Frau hatte auf einmal das Gesicht einer Schlange, das Gesicht des Mannes erinnerte an einen Schakal. Ihr tierischer Aspekt blieb allerdings verborgen, wenn Jim sie direkt anschaute. Nur aus den Augenwinkeln konnte er den Schlangen- und den Schakalkopf erkennen.
Wo immer sie sich befinden mochten, dies war kein Ort für Jim und seine Gefährten. Jim wandte sich rasch zur Tür um, packte den Knauf und versuchte, die Tür zu öffnen. Doch nun war sie ebenso fest und unbeweglich wie der Fels ringsum.
Rasch schrieb er an die Innenseite seiner Stirn:
ALLE SCHLÖSSER UND RIEGEL -› GEHEN AUF
Er stellte sich zurückweichende Riegel und aufgehende Schlösser vor, um die vor ihm befindliche Tür vom Rahmen zu lösen.
Sie gab jedoch nicht nach. Allerdings ließ sein mißglückter Zauberversuch eine der beiden Throngestalten aufmerksam werden. »Vergehen um Vergehen! Einer von Euch ist ein Magier. Nachdem Ihr Euch – Ihr alle – vor Uns bereits dadurch versündigt habt, daß Ihr lebend hierhergekommen seid, stellt sich nun auch noch heraus, daß sich einer von Euch verbotenen Künsten verschrieben hat. Euresgleichen ist der Zugang zu diesem Ort seit jeher verwehrt, Magier – und wie Ihr feststellen werdet, wird Euch Eure Magie hier nichts nützen. Hier herrscht allein Unser Gesetz.«
»Gott steh uns bei!« entfuhr es Giles.
»Euer Gott kann Euch hier auch nicht helfen.« Die gewaltige Stimme hallte wie Donner von den Felswänden wider. »Sechs an der Zahl. Ein Tier, vier lebende Menschen und ein Magier. Welch ein Frevel! Und obendrein noch bewaffnet. Weg mit den Waffen!«
Keiner der Schwarzgekleideten rührte sich, allerdings bewegten sich die Dolche und Schwerter der Ritter in den Scheiden. Mehr geschah nicht. Brian und Giles hatten bereits die Hände auf die Hefte ihrer Waffen gelegt. Brian zog sein Schwert aus der Scheide und hielt es sich mit der Spitze nach oben vor die Brust.
»Das könnt Ihr mir nicht wegnehmen!« schrie er außer sich vor Zorn. »Das ist ein Kreuz, und so sehr Ihr auch prahlen mögt, das könnt Ihr einem christlichen Ritter nicht rauben! Entreißt es mir,
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