Drachenritter 02 - Der Drachenritter
am besten ganz verschwinden lassen.
»Im Moment zerbreche ich mir gerade den Kopf nach einer Lösung«, sagte er. »Laßt mich noch ein wenig überlegen.«
Seine Gefährten bewahrten höfliches Schweigen.
Je länger Jim darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher erschien es ihm, daß beide Wege sie in eine höchst unerquickliche Lage bringen würden. Wahrscheinlich führten sie beide geradewegs ins Totenreich; und dort wollte er keinesfalls wieder hin. Am liebsten hätte er das Problem an Sir Brian weitergereicht, damit dieser eine einfache und praktische Lösung fände.
Dieser Gedanke wirkte wie ein Katalysator. Beinahe hätte er sich vor lauter Ärger über seine eigene Dummheit an die Stirn geschlagen. Gut, daß Carolinus ihn im Moment nicht sehen konnte. Carolinus hatte ihn ausgesandt, damit er lernte; und eines der Dinge, die er bereits gelernt hatte, war, daß ein und derselbe magische Befehl in mehrerlei Hinsicht nützlich sein konnte, wenn man mit unterschiedlichen Situationen fertig werden mußte. So hatte er Malvinne, den erfahrenen Magier, beispielsweise auf genau die gleiche Weise ausgeschaltet wie Melusine.
Außerdem hatte er sich einen Befehl ausgedacht, mit dem er Türen hatte öffnen können, die eigentlich Malvinne vorbehalten gewesen waren. Mit einer kleinen Veränderung dieses Befehls sollte eigentlich auch dieses Problem lösbar sein.
Er schrieb an die Innenseite seiner Stirn:
ICH=MALVINNE - › ENTFERNEN/ERSETZEN DIESE MAGIE
Nichts geschah. Dann fiel ihm ein, daß er den notwendigen magischen Vorgang noch nicht vollendet hatte. Er fügte einen weiteren Befehl hinzu:
ENTFERNEN -› DIESEN ZAUBER
Die rote Farbe verschwand; aber es geschah noch viel mehr. Die Treppe verwandelte sich auf einmal in einen ebenerdigen Gang, der nach links führte; und dort, wo sich der Gang zur Rechten befunden hatte, befand sich jetzt nur mehr eine Steinmauer.
»Hört mal her«, sagte Jim und trat auf den Gang, der die Stelle der Treppe eingenommen hatte, »der Zauber ist aufgehoben. Auf geht's.«
Er führte sie ein Stück weit den Gang entlang, dann blieb er stehen.
»Wartet«, sagte er.
Er machte kehrt und ging ein paar Schritte zurück, blieb aber kurz vor dem Fuß der Treppe, über die sie soeben heruntergekommen waren, stehen und schrieb einen weiteren Befehl an seine Stirn:
ERSETZEN -› ZAUBER
Die Treppe und alles, was sich an ihrem Fuß befunden hatte, wurde übergangslos von der Unterseite der steinernen Stufen verdeckt, die durch die Decke des Ganges in die Höhe führten und unübersehbar rot leuchteten. Malvinne würde sich dadurch, daß alles unverändert wirkte, nicht lange täuschen lassen. Womöglich vermochte er den Quergang sogar zum Sprechen zu bringen, so daß dieser ihm mitteilen konnte, was geschehen war. Allerdings war nicht ausgeschlossen, daß Malvinne so eine Zeitlang aufgehalten wurde.
Jim drehte sich um, gesellte sich wieder zu den anderen und setzte sich an die Spitze der Kolonne.
»Jetzt können wir weitergehen«, sagte er.
29
Der neue Gang folgte keiner eindeutigen Richtung, sondern bog immer wieder unvermittelt ab.
Offenbar verlief er innerhalb der Innenmauern von Malvinnes Burg, und nach einer Weile wurde ihnen zumindest ein Grund dafür klar.
Nach etwa zwanzig Schritten war die magische Illumination der Treppe hinter ihnen verblaßt. Aber das machte nichts. Aus zahlreichen Gucklöchern in den Wänden fiel ausreichend Licht.
Anscheinend legte Malvinne Wert darauf, sein Gesinde unbemerkt im Auge zu behalten. Außerdem war sein Gesinde offenbar daran gewöhnt, die ganze Nacht über tätig zu sein. In der ganzen Burg herrschte ein solch reges Treiben, daß man meinen mochte, es fände eine ausgelassene Party statt. Erhellt wurden die Räume von Kerzenleuchtern an den Wänden und großen Fackeln. Die Luft, die durch die Gucklöcher drang, war demzufolge heißer als die pralle Sonne an einem Tag im August.
Jims Ansicht nach war das Licht, das die Gucklöcher spendeten, ihr größter Vorzug. Seine Begleiter allerdings waren geradezu fasziniert von der Vorstellung, durch die Gucklöcher das Geschehen auf der anderen Seite beobachten zu können.
Jim machte ihnen keinen Vorwurf daraus. Unter anderen Umständen hätte auch er sich für das Treiben von Malvinnes Gesinde interessiert – und sei es auch nur, um Erkenntnisse über Malvinne zu sammeln. Zum Problem wurde dies jedoch erst, als alle mit Ausnahme von Aragh an einem bestimmten
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