Drachenritter 02 - Der Drachenritter
bloß glauben, daß sie Euch darauf antworten würden? Wenn jemand ja gesagt hätte, dann würden sich die anderen jedesmal, wenn irgendwo ein Pferd abhanden kommt, daran erinnern, daß er sich als geschickten Dieb bezeichnet hat, und dies auch kundtun.«
»Ich verstehe«, antwortete Jim nachdenklich. Er lebte lange genug in dieser Welt, um zu wissen, daß hier eine Beschuldigung gleichbedeutend war mit der unumstößlichen Gewißheit, daß die betreffende Person tatsächlich schuldig war. »Aber wie soll ich herausfinden, ob jemand von ihnen weiß, wie wir die Pferde für die Bogenschützen und den Prinzen beschaffen sollen?«
Brian wandte sich ohne zu antworten um und brüllte in die Richtung der Berittenen: »Tom Seiver!«
Tom löste sich aus der Gruppe und kam herüber.
»Tom«, sagte Brian, »wir brauchen mindestens zwei Männer, die Erfahrung im Pferdestehlen haben. Wählt sie für uns aus. Wir warten hier solange.«
»Jawohl, Sir Brian«, sagte Tom Seiver und ging wieder zu den Berittenen hinüber.
»Ist Theoluf noch bei Euch?« rief Brian ihm nach.
Tom blieb stehen und drehte sich um.
»Ja, Sir Brian«, antwortete er.
»Vielleicht kann Theoluf Euch dabei helfen. Jedenfalls kümmert Euch darum. Bringt uns die beiden sogleich her«, sagte Brian.
»Sofort, Sir Brian«, sagte Tom so geschäftsmäßig, als wollte er nur zwei Flaschen Wein holen. Er ging zur Gruppe zurück.
»Begreift Ihr jetzt, James?« fragte Brian. »Dafür gibt es Männer wie Tom, die als Anführer über die Bewaffneten eingesetzt werden. Sie wissen bereits, ob jemand Erfahrung im Pferdestehlen hat. Laute Fragen sind da ganz unnötig, denn sie wissen schon Bescheid und erteilen einfach einen Befehl.«
»Ja«, meinte Jim erschöpft. Offenbar gab es unendlich viel zu lernen über diese neue Welt, in der zu leben er und Angie sich entschlossen hatten. Alles, was deren Bewohner von Kindesbeinen an wußten, beinahe ohne sich dessen bewußt zu sein, mußte er sich mittels Versuch und Irrtum erst mühsam aneignen.
34
Fünf Minuten später kam Tom mit zwei Männern zurück. Der eine war ein kleiner, lebhaft wirkender Bursche mit einem roten Haarschopf und einem offenen, treuherzigen Gesicht. Der andere war ein größerer, hagerer und älterer Mann mit sich lichtendem schwarzem Haar. Beiden sah man an, daß sie im Umgang mit Waffen erfahren waren.
»Der Rotschopf heißt Jem Wattle«, sagte Tom, »der andere Hal Lackerby. Sir Brian kennt sie gut, aber ich habe mir gedacht, Ihr würdet gern ihre Namen erfahren.« Tom Seiver lächelte grimmig. »Das sind genau die Richtigen, um die französischen Linien nach Anbruch der Dunkelheit auszuspionieren.«
»Danke, Tom«, sagte Jim.
»Jem – Hal!« sagte Brian. »Haltet Euch zu Sir James Verfügung, bis er Euch wieder entläßt.« Er wandte sich an Jim. »Soll ich bei Euch bleiben, James, oder…«
»Wenn Ihr möchtet, Brian«, antwortete Jim. »Ich werde jetzt mit Sir Raoul reden. Es kann nicht schaden, wenn jemand weiß, was wir vorhaben.«
»Dann kommt«, sagte Brian.
Er wendete sein Pferd und ritt voran. James folgte ihm zu Pferd, und die beiden Bewaffneten schlossen sich ihnen zu Fuß an. Sir Raoul stand neben seinem Pferd.
»Sir Raoul«, sagte Jim, als der Ritter zu ihm aufsah, »wir würden gern mit Euch sprechen – ein wenig abseits, wenn es Euch nichts ausmacht.«
Sir Raoul schwang sich in den Sattel, und alle fünf begaben sich von der Wiese in die länger werdenden Schatten des Waldes. Als sie außer Hörweite der anderen gelangt waren, zügelte Jim sein Pferd und wandte sich zu Sir Raoul, Brian und den beiden Gemeinen um.
»Sir Raoul«, sagte Jim, »Ihr wißt, daß wir Pferde für die Bogenschützen brauchen und ein weiteres von einigem Wert für den Prinzen. Ich habe zwei Männer gefunden, die uns bei der Suche nach den Pferden behilflich sein werden. Würdet Ihr uns hinter die französischen Linien führen?«
»Natürlich nicht hinter die englischen«, meinte Sir Raoul sarkastisch. »Ich habe mir schon gedacht, daß es die französischen Linien sein würden. Dann kommt alle mit.«
Als sie die Rückseite der französischen Linien erreichten, war es vollständig dunkel geworden. Sie waren gezwungen, ganz langsam zu gehen, denn sie bewegten sich mitten durch den Wald, und der Mond war noch nicht aufgegangen. Als sie zu den hintersten Wagen des französischen Trosses gelangten, stieg die dünne Mondsichel gerade am Himmel empor. In ihrem stetig heller werdenden Schein
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