Drachenritter 02 - Der Drachenritter
könnt?«
Jim hatte derweil in seinen Satteltaschen herumgewühlt. Wenn der, welcher das Brot, den Käse und den Wein eingepackt hatte, die anderen Dinge nicht herausgenommen hatte – ah, es war alles noch da.
»Ich habe etwas«, verkündete er.
Er hatte ein Stück Holzkohle und ein Stück dünnen, weißen Stoff mit zu Carolinus genommen; bloß für den Fall, daß Carolinus ihm irgendwelche Anweisungen geben sollte, die er nicht allein seinem Gedächtnis anvertrauen wollte. Beides holte er jetzt aus der Satteltasche. Wie er wußte, konnte Sir Brian kaum schreiben, was der brave Rittersmann allerdings nur ungern zugegeben hätte. Jim hingegen war das Produkt der Schulerziehung des zwanzigsten Jahrhunderts seiner Heimatwelt.
»Was soll ich schreiben?« fragte er Brian.
»Laßt mich das lieber machen«, erwiderte der Ritter.
Er ließ sich von Jim das Stück Stoff und den Holzkohlestift geben. Dann legte er den Stoff auf seinen Sattel und zeichnete etwas auf eine Ecke in einer Art Bilderschrift. In der Figur unterhalb der Hörner erkannte Jim eine grobe Wiedergabe des Familienwappens von Sir Brian wieder: ein schwarzes Andreaskreuz anstelle eines Hirschgeweihs auf rotem Grund, das erkennen ließ, daß er der jüngeren Linie der Nevilles von Raby, den Grafen von Worcester, entstammte.
Mit der Dolchspitze schnitt Brian die bemalte Ecke säuberlich ab und reichte sie Jim zusammen mit dem Rest des Lappens und der Holzkohle.
»So«, sagte er, »das werden sie bestimmt verstehen. Drei Hornsignale« – er deutete auf das Kuhhorn, das an einer Lederschlaufe von seinem Sattelknauf hing –, »und sie werden einen Ausfall machen.«
»Und woher sollen sie wissen, ob sie der Nachricht auch Glauben schenken können?« fragte Danielle.
»Ha!« machte Sir Brian verblüfft. Er dachte einen Moment nach.
»Wie Ihr seht, habe ich mein Wappen ans Ende der Botschaft gesetzt«, sagte er.
»Jeder, der Euer Wappen kennt, könnte das gleiche tun«, meinte Jim. »Angenommen, es hält sich überhaupt jemand auf dem Hof auf und sieht den Pfeil herunterfallen…«
»Keine Bange!« warf Sir Brian hitzig ein. »Wenn der Feind vor dem Tor steht, sind meine Leute nicht weit.«
»Ja, gut, aber selbst wenn sie den Pfeil aufheben und die Nachricht lesen«, fuhr Jim fort, »dann stellt sich immer noch die Frage, ob sie tatsächlich von Euch stammt. Gibt es etwas, das ihr an dem Pfeil befestigen könntet, das nur von Euch und von niemandem sonst stammen kann?«
Sir Brian schaute unglücklich drein.
»Früher hätte ich den Ring meines Vaters auf den Schaft schieben können«, sagte er und hielt seine zehn unberingten Finger hoch. »Den habe ich nämlich niemals abgelegt. Bedauerlicherweise habe ich ihn… äh… bei einem Händler in Coventry gelassen, vergangenen Aschermittwoch waren es drei Jahre her.«
Jim verspürte jähes Mitleid mit Sir Brian. Wie fast überall auf dem Kontinent war es auch in England verboten, zum Pfandleiher zu gehen, da die Kirche den Wucher für unrechtmäßig erachtete. Trotzdem florierte das Leihgewerbe, und viele der Stammkunden waren Edelleute, die aus dem einen oder anderen Grund knapp bei Kasse waren. Jim beschloß, alles mögliche zu tun, um Sir Brians Ring wieder auszulösen. Vorausgesetzt, der Pfandleiher hatte ihn nicht bereits weiterverkauft, würde ihm das keine Mühe bereiten. Das Problem dabei war, eine Möglichkeit zu finden, ihn Sir Brian zurückzugeben, ohne den Ritter zu beschämen.
»Ich hab's!« rief Jim aus. »Das Taschentuch, das Lady Geronde Euch geschenkt hat, Brian! Eure Männer würden es auf den ersten Blick wiedererkennen, das wäre der Beweis, daß die Nachricht von Euch stammt!«
Sir Brian wurde auf einmal blaß.
»Niemals!« grollte er. »Diese Liebesgabe werde ich behalten, solange ich lebe.«
»Es wäre doch nur für kurze Zeit, Sir Brian«, meinte Dafydd. »Dann bekommt Ihr das Tuch wieder zurück. Einer Eurer Männer wird es bestimmt an einem sicheren Ort verwahren, während man in der Burg auf das Hornsignal wartet. Dort wird es sicherer sein, als wenn Ihr es bei Euch tragt.«
»Niemals!« wiederholte Brian. »Lieber sehe ich zu, wie meine Burg in Schutt und Asche fällt!«
»Ich bitte Euch, Sir Brian«, redete Danielle ihm mit sanfter Stimme zu, »Dafydd hat recht. Die Liebesgabe wird an meinem Pfeil ebenso sicher sein wie bei Euren Männern. Und sie ist der einzige untrügliche Beweis, daß die Botschaft von Euch stammt.«
»Ich kann nicht!« Brian wandte sich ab.
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