Drachenritter 02 - Der Drachenritter
abzuwarten, und am Ende hättet Ihr nicht nur keine Pferde gehabt, sondern auch kein Geld mehr, um irgendwo anders welche zu kaufen.«
»Keineswegs, James«, antwortete Brian. »Wie ich bereits sagte, bekam er allein schon davon, daß er Würfel in Händen hielt, leuchtende Augen. Ich hatte ihn durchschaut. Er konnte ebensowenig mit dem Spielen aufhören, wie die meisten Männer es nicht fertigbringen, bei einem prachtvollen Turnier müßig auf den Zuschauerrängen herumzusitzen und mit anzusehen, wie andere vor aller Augen Hiebe austeilen. Oh, er beklagte sich schon, daß es so nicht ginge; als ich ihm allerdings klarmachte, daß er keine andere Wahl habe, gab er nach.«
»Und dann fingt Ihr an zu gewinnen?« fragte Jim.
»Aber nein. Erst einmal verlor ich weiterhin jede einzelne Runde«, antwortete Brian.
»Ich dachte schon, es würde allmählich ernst«, warf Giles ein. »Aber – ha! Ich hatte Vertrauen zu Brian. Und dieses Vertrauen…«
»…war gerechtfertigt«, meinte Brian rasch. »Kurz gesagt, James, fing ich endlich an zu gewinnen. Percy schwitzte, und als wir Gewinn und Verlust ausgeglichen hatten, mußte ich mich anstandshalber sogar wieder mit gleichen Einsätzen einverstanden erklären. Aber ich hatte ihn durchschaut. Wer gewinnen muß, der verliert. Er wollte unbedingt gewinnen. Deshalb verlor er. Und verlor. Und verlor. Und verlor… bis ich nicht nur mein ganzes Geld zurückgewonnen hatte, sondern auch noch alles, was er bei sich hatte.«
»Worauf wir unserem Bedauern über sein Pech Ausdruck verliehen«, meinte Giles, »und ihm sagten, daß wir uns nun mit unserem Gewinn entfernen müßten.«
»Und er gab Euch auch noch die Pferde?« fragte Jim.
»Was blieb ihm als Gentleman anderes übrig?« erwiderte Brian. »Ihm zuliebe kaufte ich ihm noch die Sättel und das Zaumzeug ab und gab ihm dafür einen Teil des Geldes zurück. Dennoch läßt sich nicht leugnen, daß er unglücklich war, als wir uns von ihm verabschiedeten.«
Im Grunde empfand Jim für den glücklosen Percy, der seinem erbosten Vater nun ohne Pferde und ohne Geld gegenübertreten mußte, nicht nur eine Menge Sympathie, sondern verspürte ihm gegenüber auch leichte Schuldgefühle. Seine beiden Gefährten schienen diese Gefühle allerdings nicht zu teilen.
»Ist das nicht ein glücklicher Tag für uns, James?« strahlte Sir Brian. »Im Moment will mir einfach nicht einfallen, welcher Heilige heute dran ist, und Giles weiß es auch nicht. Aber ich werde es noch herausfinden und es mir für die Zukunft merken, sollte ich wieder einmal ein Risiko eingehen müssen, denn dieser Heilige – wer immer es sein mag – meint es offenbar gut mit mir. Ich glaube, wir sollten noch Wein bestellen. Vorher aber…«
Er griff abermals in seinen Geldbeutel, warf noch mehr Geld auf den Tisch und schob es Jim hin.
»Mylord«, sagte er gewichtig, »das Geld, das Ihr mir anvertraut habt und noch ein wenig mehr, zum Zeichen, daß Euer getreuer und loyaler Diener Sir Brian seine Pflicht getan hat!«
Jim blickte den Haufen Münzen geradezu angewidert an. Eigentlich müßte er einen Vorteil aus der Situation ziehen können, überlegte er – und dann hatte er auf einmal eine Idee.
»Da Ihr in dieser Angelegenheit soviel Geschick bewiesen habt«, erwiderte er im gleichen formellen Ton wie Sir Brian, »kann ich mir keine bessere Verwendung für das Geld vorstellen, als es in solch fähigen Händen zu belassen.«
Er teilte die Münzen energisch in zwei Haufen.
»Nehmt jeder eine Hälfte«, sagte er, »und behaltet es entweder, oder verwendet es für Eure täglichen Bedürfnisse.«
Er verspürte eine innere Freude. Diesmal war es ihm gelungen, die Gepflogenheiten der hiesigen Oberschicht zu beachten und gleichwohl seinen Willen durchzusetzen. Die Großzügigkeit von Ranghöheren gegenüber Tieferstehenden war ein tiefverwurzeltes Element dieser Gesellschaft. Die dergestalt Beschenkten waren im allgemeinen nicht nur dankbar, sondern betrachteten es als eine Beleidigung, derartige Geschenke zurückzuweisen.
Und er hatte sich nicht getäuscht.
Brian und Giles nahmen ihren jeweiligen Anteil freudig entgegen, bedankten sich höflich und verstauten die Münzen in ihren Geldbeuteln, ohne vorher nachgezählt zu haben, ob er das Geld auch gerecht geteilt hatte. Endlich war es ihm gelungen, seine Gefährten auf akzeptable Weise mit Bargeld auszustatten, das es ihnen erlauben würde, in diesem fremden Land zurechtzukommen.
»Und jetzt laßt uns trinken!«
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