Drachenritter 02 - Der Drachenritter
ob dieser Carolinus existiert.«
Er hielt einen Finger hoch.
»Nicht nur um jemanden zu sehen, der sich Carolinus nennt«, fuhr er fort, »sondern um einen Magier dieses Namens zu sehen, der sich als ebenso gut erweisen möge, wie Malvinne schlecht ist – als so gut, wie der Mann, von dem die Fabeln erzählen. Das gelobe ich feierlich.«
»Ihr seid jederzeit willkommen«, sagte Jim. »Mögt Ihr nun fortfahren und uns schildern, wie wir den Wald durchdringen, die bewaffneten Kunstwesen umgehen und in die Burg eindringen können, um unseren Prinzen zu befreien?«
»Ja. Gewiß«, sagte Sir Raoul nach einer Weile. Er beugte sich abermals über die Tischplatte vor. »Paßt gut auf.«
Er tippte wieder auf das M auf der Landkarte.
»Wie ich schon sagte«, fuhr er fort, »war ich mir sicher, daß Euer Prinz in Malvinnes Burg gefangengehalten wird. Der König hört in allen Fragen auf Malvinne; dieser ist der Sehende, der den Blinden führt. Malvinne würde den Prinz gewiß lieber in seiner Nähe wissen als im Gewahrsam des Königs, wo man viel leicht allzu nachlässig mit ihm umgehen würde. Aber auch wenn Malvinne keinen solchen Einfluß auf König Jean hätte, würde dieser einsehen, daß es von Vorteil wäre, wenn Euer Prinz – Edward heißt er, nicht wahr? – in Malvinnes Obhut bliebe, wo er nicht so leicht zu befreien wäre.«
Er hielt inne und nahm noch einen Schluck Wein.
»Wie ich schon sagte, ich war mir zwar sicher, daß Prinz Edward bei ihm ist«, fuhr er fort, »konnte mir aber keine absolute Gewißheit verschaffen. Persönlich in die Burg einzudringen war mir vollkommen unmöglich. Ich habe bereits erwähnt, daß Malvinne meine Familie vernichtet hat. Das war ganz wörtlich gemeint. Alle… alle sind sie tot. Am schändlichsten aber war die Ermordung meines Vaters, wenngleich diese Geschichte im Moment belanglos für Euch ist. Es reicht, wenn Ihr wißt, daß Malvinne sogleich durch Zauberkraft gewarnt gewesen wäre, hätte ich meinen Fuß auf seine Besitzung gesetzt, und daß er alles darangesetzt hätte, meiner habhaft zu werden, damit meine Familie endgültig ausgerottet werde.
Ich hatte nur eine einzige Hoffnung«, fügte er zu ihnen aufschauend hinzu. »Diese galt einem von Malvinnes bedauernswerten Zauberwesen mit dem Oberkörper einer Kröte und dem Unterleib eines Menschen, das einmal einer der fähigsten Bediensteten meines Vaters und der Anführer der Bewaffneten gewesen ist. Als Malvinne das Zuhause meiner Familie zerstörte, gefiel es ihm, unsere überlebenden Bediensteten zu seinen Kreaturen zu machen. Das waren etwa ein Dutzend, mehr nicht. Bis auf einen starben sie alle im ersten Jahr, denn nachdem man sie verhext hatte, hingen sie nicht mehr am Leben. Schon beim leisesten Lüftchen wurden sie krank und starben; einem kleinen Malheur, das einen gewöhnlichen Sterblichen eine Woche lang von der Arbeit abgehalten hätte, erlagen sie binnen Stunden.«
»Allmächtiger!« rief Sir Brian. »Das ist wahre Niedertracht!«
Sir Raoul blickte Brian einen Moment lang überrascht und vielleicht sogar mit einem Anflug von Dankbarkeit an. Er hatte seine Mimik so gut unter Kontrolle, daß in seinem Gesicht nur schwer zu lesen war. Er fuhr fort.
»Malvinnes Burg ist tödlich für mich«, sagte Sir Raoul. »Der Wald allerdings stellt für mich keine größere Bedrohung dar als für jeden anderen, der sich ohne Malvinnes Erlaubnis hineinbegibt. Folglich habe ich mich mehrere Wochen lang im Wald herumgetrieben und mich jedesmal versteckt, wenn seine bewaffneten Kreaturen vorbeikamen, und habe auf den gewartet, den ich treffen wollte. Ich wußte, ich würde ihn an der Schwertnarbe in seinem Krötengesicht erkennen, denn diese Narbe hat der Mann entweder aus einer Laune Malvinnes heraus oder aufgrund einer Beschränkung seiner magischen Fähigkeiten auch in seiner neuen Gestalt behalten.«
»Und habt Ihr ihn getroffen?« fragte Jim.
»Ja – irgendwann tauchte Bernard auf, so heißt er nämlich, und erkannte mich. Er war bereit, mir gegen Malvinne zu helfen, und koste es sein Leben.«
Sir Raoul lehnte sich zurück und atmete tief durch.
»Um mich kurz zu fassen«, sagte er, »wenn Ihr eine bestimmte Stelle im Wald aufsucht, die ich Euch beschreiben werde, und dort wartet, Nacht um Nacht, dann wird Bernard irgendwann auftauchen. Wenn er Euch erst einmal gefunden hat, wird er Euch sicher durch den Wald und in die Burg geleiten. Dann aber wird er Euch verlassen. Weiter traut er sich nicht; der Zauber,
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