Drachenritter 02 - Der Drachenritter
anderen Seite des Lagerfeuers nieder. Er hatte sich schon so sehr an die rauhe Lebensweise dieser Welt und dieses Jahrhunderts gewöhnt, daß er kurz nach Giles einschlief. Beide erwachten bei Tagesanbruch und frühstückten. Anschließend erklärte Jim sich damit einverstanden, daß Giles ihn ein Stück weit begleitete, bis ihre Wege sich trennten.
Damit war ein Problem gelöst, das ihm erst im Moment des Aufbruchs bewußt geworden war. Bis jetzt hatte er sich nur aus dem Lichtkreis des Lagerfeuers entfernen, die Kleider ablegen und sich im Dunkeln in einen Drachen verwandeln müssen. Doch nun war es Tag, und es war kein Wald in der Nähe, wo er sich hätte verbergen können.
Natürlich hätte er Giles zurücklassen und sich mit dem Proviant und dem Seil ins Gebüsch schlagen und eine Senke suchen können, um sich dort, von Giles unbeobachtet, zu verwandeln.
Andererseits hätte er sich in Gefahr gebracht, wäre er lediglich mit Schwert und Dolch bewaffnet – den Schild mußte er bei Giles zurücklassen – querfeldein gewandert.
Nach den jahrelangen kriegerischen Auseinandersetzungen waren die einheimischen Bauern ebenso schnell bei der Hand, schutzlose Reisende auszurauben, wie jeder andere auch. Zwei berittene Krieger, mit Schwert und Schild bewaffnet, mochten sie abschrecken. Ein einzelner Mann aber, der zu Fuß unterwegs war, wäre in Gefahr gewesen. Es gab keinen Grund, weshalb Giles ihn nicht bis zu einer günstigen, von der Straße aus nicht einsehbaren Stelle begleiten, ihn dort allein lassen und wieder umkehren sollte. Jim würde solange warten, bis Giles außer Sichtweite wäre, und sich dann erst verwandeln.
Soweit waren seine Vorstellungen gediehen, als sich unvermutet sein Gewissen zu Wort meldete. Er hatte beobachtet, wie Giles sich in einen Silkie verwandelt hatte. Sie waren Waffenbrüder. Außerdem wußte Giles, daß Jim nicht nur ein Magier war, sondern auch als Drachenritter bekannt war; und er hatte die Geschichten vom Kampf am Verhaßten Turm gehört.
Eigentlich sprach nichts dagegen, sich vor Giles Augen in einen Drachen zu verwandeln. Die einzige Schwierigkeit dabei war, daß die Pferde scheuen könnten. Er erinnerte sich, wie Gorp reagiert hatte, als er sich auf dem Weg zu Carolinus unerwartet in einen Drachen verwandelt hatte. Und Gorp war an ihn gewöhnt gewesen – wenngleich nicht unbedingt daran, daß er sich in einen Drachen verwandelte.
»Giles«, sagte Jim, während er das Proviantbündel schnürte, »um mein Vorhaben auszuführen, muß ich mich in einen Drachen verwandeln. Ich möchte die Pferde nicht erschrecken, daher sollten wir zunächst ein Stück weiter weggehen.«
»Ha?« machte Sir Giles. »Bestimmt würden sie es nicht freundlich aufnehmen, wenn Ihr Euch unmittelbar neben ihnen in einen Drachen verwandeln würdet. Ich glaube, wir sollten sie an diesen abgestorbenen Baum dort drüben anbinden, damit sie sich nicht losreißen können, wenn Ihr die Verwandlung in Sichtweite von ihnen vollziehen wollt.«
»Da habt Ihr wohl recht, Giles«, antwortete Jim.
Es waren zwar keine belaubten Bäume in der Nähe, dafür aber der von Giles erwähnte abgestorbene Baum, der aussah, als habe der Blitz eingeschlagen. Sie banden die Pferde daran fest, dann stapften sie durch das kniehohe Gras, bis sie etwa hundert Meter von den Tieren entfernt waren.
»Der Abstand dürfte ausreichen, um sie nicht in Schrecken zu versetzen«, sagte Jim und blieb stehen.
»Losreißen können sie sich jedenfalls nicht«, erwiderte Giles. Er schaute zu, wie Jim die Kleider ablegte, und verschnürte die Kleidungsstücke mit dem Seil, mit dem bereits der Proviant zusammengebunden war.
»Bindet mir das Bündel um den Drachenhals, wenn ich mich verwandelt habe«, sagte Jim. Giles nickte.
Der splitternackte Jim schrieb den Befehl an die Innenseite seines Schädels und verwandelte sich auf der Stelle in einen Drachen.
»Allmächtiger!« rief Giles verwundert aus. »Ich dachte eigentlich, ich wäre auf die Verwandlung gefaßt gewesen, James; aber ich habe nicht erwartet, daß Ihr als Drache so groß sein würdet.«
»Ich habe keine Ahnung, weshalb ich so groß bin«, antwortete Jim aus seinem Drachenkörper, »vielleicht hat es etwas mit meiner Größe als Mensch zu tun. Würdet Ihr mir das Bündel nun fest um den Hals binden? Danke. Dann breche ich auf.«
Giles verknotete das Seil um Jims schuppigen Hals.
»Ist das fest genug, James?« fragte er und trat einen Schritt zurück.
»Es könnte nicht
Weitere Kostenlose Bücher